02-03/2022 5,– Euro, Österreichische Post AG,  P.b.b. Abs.: Gesellschaft zur Herausgabe der Zeitschrift ZUKUNFT,   Kaiser-Ebersdorfer-Straße 305/3, 1110 Wien, MZ 14Z040222 M, Nr. 02-03/2022 ISRAEL UND  ANTISEMITISMUS SEIT  1946 „… dass sich die Linke durch ihren Antizionismus selbst vergisst …“Interview mit Marlene Gallner, geführt von Georg Pepl Falsche Kapitalismuskritik und struktureller AntisemitismusStefan Schneider und Isolde Vogel Warum BDS antisemitisch istAlex Feuerherdt und Florian Markl Rezension: Israel – Traum und Wirklichkeit  des jüdischen Staates von Michael Brenner Marie-Theres Stampf


 2 | ZUKUNFT    Nachdem am zweiten November 2020 ein islamistischer  Terrorist in der Wiener Judengasse das Feuer eröffnete, wäre  es in Österreich im Nachhinein wohl niemandem eingefal-len, sich mit dem Attentäter zu solidarisieren, der es eindeu-tig auf das jüdische Viertel in der Innenstadt abgesehen hat-te. Als indes im Mai 2021 tausende Raketen der Hamas und des Islamischen Dschihad in Richtung Israel abgefeuert wur-den, blieben die Solidaritätsbekundungen mit dem einzi-gen demokratischen Rechtsstaat im Nahen Osten zu einem  Großteil aus. Im Gegenteil: durch eine Täter-Opfer-Umkehr wurde vielerorts „den Juden“ die Schuld an diesem Angriff  zugeschoben. Diese Konstellation, mit welcher sich der wie-der erstarkende Antisemitismus zeigt, nimmt die vorliegende  Doppelausgabe der ZUKUNFT zum Anlass, eine Diskussions- grundlage zu Israel und Antisemitismus zu präsentieren. Dabei konnte die Redaktion herausragende Expert*innen  gewinnen, die bereit waren, ihre Forschungsergebnisse zur  Verfügung zu stellen, um das Thema Israel und Antisemitis- mus aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. In diesem Kontext geht es um den Antisemitismus der BDS-Bewegung  (Boycott, Divestment and Sanctions), antisemitische Formen der  Kapitalismuskritik, den Antizionismus in der österreichischen Linken und den Historikerstreit 2.0. Des Weiteren thematisie- ren wir die Antizionismuskritik Jean Amérys, die Geschichte  Israels und die Biografien von Walter Benjamin und Gershom Scholem, um ein realistisches Bild Israels zu ermöglichen, mit  dem eine größere Sensibilität für aktuelle Formen des Antise-mitismus einhergehen soll. So fassen Alex Feuerherdt und Florian Markl ihre  Forschungen zur internationalen Bewegung Boycott, Divest- ment and Sanctions (BDS) zusammen und erläutern dabei ein-gehend die Gefahr einer – in allen Wortbedeutungen – De-konstruktion Israels. Denn BDS beteuert immer wieder, nicht gegen Jüdinnen und Juden zu sein, sondern sich nur gegen den Staat Israel und den Zionismus zu richten. Doch das ent- spricht nicht der Wahrheit, wie die Autoren in ihrem Beitrag zeigen, indem sie die Diskursstrategien von BDS herausarbei- ten und betonen, dass die Äußerungen und Aktivitäten der  Israel-Boykotteur*innen nach jeder seriösen Definition (z. B.  3D:  Dämonisierung,  Delegitimierung,  Doppelte Standards) antise- mitisch sind: Denn die BDS-Bewegung zielt auf nicht weniger ab als auf das Ende Israels als jüdischer Staat. Zugleich stellt ihr  Tun einen fundamentalen Angriff auf wesentliche Bestand- teile und das wohl wichtigste Symbol zeitgenössischen jüdi- schen Lebens dar. BDS versucht also, dem Judentum insgesamt so schweren Schaden zuzufügen, dass dessen weitere Existenz gefährdet wäre. Auch im Umfeld unreflektierter Kapitalismuskritik  kommt es zu gefährlichen Verkürzungen, welche die Kom-plexität kapitalistischer Gesellschaften z. B. auf „die Reichen“ und „die Armen“ reduzieren, weshalb Sebastian Schneider und Isolde Vogel dann den Zusammenhang von falscher Ka-pitalismuskritik und strukturellem Antisemitismus diskutieren. Dabei betonen unsere Autor*innen nachdrücklich, dass die intellektuelle Lösung aktueller sozioökonomischer Problem-lagen nicht in einer Personalisierung abstrakter Herrschafts- verhältnisse liegen kann. Sprich, der Kapitalismus stellt ein  systemisches Problem dar, das nicht einzelnen Akteur*innen und z. B. ihrer „Gier“ in die Schuhe geschoben werden kann.  Vielmehr nehmen Menschen unter den harten Produkti- Israel und Antisemitismus IN MEMORIAM RUDOLF GELBARD  (* 04.12.1930 IN WIEN; † 24.10.2018 EBENDA) EDITORIAL


 ZUKUNFT | 3    onsbedingungen des Spätkapitalismus die Rollen von „Cha-raktermasken“ (Marx) ein und reproduzieren so hochgradig unbewusst das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse. Darüber hinaus sind nach 1945 in diesem Zusammenhang di- verse Chiffren und Codes entstanden, die zur (unbewusst oder  bewusst antisemitischen) Anschuldigung führen. Das ist etwa bei der Umschreibung der „Ostküste“ oder den „1 %“, die die Welt beherrschen würden, der Fall – und hier ist der Weg zu offen antisemitischen Äußerungen nicht weit. Deshalb kann der Antisemitismus auch und gerade in  den Reihen der Linken ausgemacht werden, weshalb Ste-phan Grigat das Verhältnis der radikalen Linken in Öster-reich zum Antisemitismus eingehend beschreibt und die mehr als bedenkliche Verbindung von Antiimperialismus und An-tizionismus vor Augen führt. Dabei geht es um das histori-sche Erbe der Ersten Republik, die gesellschaftspolitische und ideologische Kontinuität und Transformation im Postnazis-mus oder um den Mai 68 und die Neue Linke, die keines- wegs frei von Antisemitismus war, wie auch die Geschich- ten von SPÖ und KPÖ belegen. Grigat betont, dass Israel damit zum permanenten Streitfall wurde, weshalb im Grunde erst  seit den 2000er-Jahren eine Kritik am linken Antizionismus  in der österreichischen Linken zu verzeichnen ist. Eine Kri-tik, die nicht gänzlich auf fruchtlosen Boden fiel, wenn wir bedenken, dass VSStÖ, GRAS und KSV-LILI im Jahr 2017 an der  Universität Wien einen gemeinsamen Beschluss Gegen jeden  Antisemitismus gefasst haben, an den sich die progressiven Kräf- te in Österreich halten sollten. Damit wird deutlich, dass eine  weitere aufgeklärte Diskussion zum Verhältnis der österrei- chischen Linken zu Israel gefordert und notwendig ist, weil nichts gefährlicher ist, als in diesem Zusammenhang die Ge-schichte des linken Antizionismus außen vor zu lassen. Ging es bereits im Historikerstreit der 1980er-Jahre um die  Einschätzung der „Singularität des Holocaust“, so fand in  den letzten Jahren ein Historikerstreit 2.0 statt, auf den Stef-fen Klävers eingehend zu sprechen kommt. Im Zentrum der  Diskussion steht dabei die Möglichkeit des Vergleichens von historischen Ereignissen wie der Shoah, die nicht zuletzt da- durch relativiert wird, dass der eliminatorische Antisemitismus des Nationalsozialismus „nur“ als Rassismus begriffen und die Vernichtung des europäischen Judentums mithin zu ei-ner weiteren Episode der eurozentrischen Kolonialgeschich-te wird. Wider die von Dirk Moses veröffentlichte Behaup- tung, die Erinnerung an die Shoah folge gerade und nur in Deutschland einem moralisierenden „Katechismus“, betont Klävers – auch angesichts der postkolonialen Publikationen  von Achille Mbembe – mit Nachdruck die Eigenart und Spe- zifität des Antisemitismus, die bis heute mit der Beispiello-sigkeit der Judenvernichtung und der darauffolgenden Staats-gründung Israels verbunden sind. Den Zusammenhang von Antiimperialismus und Antizio- nismus hat im 20. Jahrhundert vor allem ein Autor hervorge-hoben, der dahingehend fast vergessen ist: Denn Jean Amérys Schriften zu Antisemitismus, Antizionismus und der Lin-ken finden sich zwar in seiner Gesamtausgabe, wurden aber erst Anfang 2022 von Marlene Gallner im Englischen ei-gens herausgegeben. Im Interview mit Georg Pepl betont auch Gallner die Präzedenzlosigkeit der Shoah und hebt her- vor, dass Améry – im Gegensatz zu großen Teilen der Linken  – deutlich gesehen hat, wie wichtig Israel für das Judentum ist.  So wird klar, dass der Antisemitismus im Antizionismus ent-halten ist, wie das „Gewitter in der Wolke“ (Améry). In die- sem Zusammenhang steht auch vor Augen, wie ausgehend  vom akademischen Feld der US-amerikanischen Universitäten  durch ein Zusammenspiel von Poststrukturalismus, Critical Studies und Postkolonialismus offen antizionistische Inhalte  verbreitet werden. Und so lässt sich zusammenfassend festhal- ten, dass die Linke sich durch ihren Antizionismus selbst ver-gisst, wenn sie sich gerade angesichts der Shoah und der Le-gitimität Israels gerade nicht auf die Seite der Schwachen stellt. Deshalb ist es nötig, die Geschichte Israels von Beginn an  in den Blick zu nehmen, wie Michael Brenner es mit Israel.  Traum und Wirklichkeit des jüdischen Staates. Von Theodor Herzl  bis heute (2016) unternommen hat. Marie-Theres Stampf betont in ihrer Rezension, dass Brenners neuartige Aufberei-tung der Entstehung Israels nicht nur eine sachliche Über- sicht zur historischen Entwicklung des Zionismus bietet, son-dern die konkurrierenden Gegenpositionen vor Augen führt, die von der frühen Ideengeschichte bis zur heutigen politi-schen und gesellschaftlichen Lage des Staates zwischen Je- rusalem und Tel Aviv reicht. Unparteiisch und jenseits poli-tisch vereinnahmter Rhetorik wird in diesem Zusammenhang  vor allem der Diskurs ab dem Wendepunktjahr 1897 analy- siert, der sich um die Dichotomie zwischen angestrebter Nor-malität und gleichzeitiger Sonderstellung des jüdischen Vol- kes und – später – Staates dreht. Dabei trifft der titelgebende 


 4 | ZUKUNFT  Gegensatz von Traum und Wirklichkeit vor allem auf den vom  Autor wiederholt gezogenen Vergleich zwischen den utopi- schen Anteilen des frühen Zionismus und ihrer Umsetzung zu. So erhalten die Leser*innen der ZUKUNFT insgesamt ei- nen profunden Einblick in die überraschend vielfältigen Ide-en zum israelischen Staat, die diesen selbst nach seiner Grün-dung noch begleiten. Welche Rolle die Geschichte des Judentums im 20.  Jahrhundert in den Biografien von Walter Benjamin und Gershom Scholem einnahm, wird dann mit dem Beitrag von  Thomas Wilke deutlich, der in Erinnerung an Benjamins  Berliner Kindheit und Scholems Von Berlin nach Jerusalem vor Augen führt, wie sich der (hochkommende) Nationalsozialis- mus auf die beiden jüdischen Gelehrten auswirkte. Dabei ver-deutlichen die gut dokumentierten Lebenslinien der Freunde das Schicksal des europäischen Judentums sowie die Rolle des   Jischuvs (also der jüdischen Bevölkerung in Palästina vor der  Staatsgründung 1948) und Israels als Zufluchtsstätte für ver-folgte Jüdinnen und Juden. So können die beiden Lebensläu-fe für die Vernichtung des europäischen Judentums als para-digmatisch gelten. In diesem Sinne liest sich Scholems Walter  Benjamin – die Geschichte einer Freundschaft als maßgebliches  Dokument eines immensen menschlichen und intellektuellen  Verlusts, der mit dem Tod Benjamins und der frühen Auswan- derung Scholems auch heute noch verbunden ist, wenn es da-rum geht, über Israel und Antisemitismus zu sprechen, um die Shoah in ihrer Beispiellosigkeit zu begreifen. Deshalb ist es der Redaktion der ZUKUNFT eine große  Freude, eine jüdische und sozialistische Tradition wieder  aufnehmen zu können, die in der langjährigen Geschich-te unserer Zeitschrift breit dokumentiert ist: Denn das Jüdi- sche Museum Wien hat bereits des Öfteren mit der ZUKUNFT kooperiert und uns für diese Ausgabe die Erlaubnis gegeben,  mit unserer Bildstrecke an die äußerst bemerkenswerte und zu unserem Thema passende Ausstellung Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden zu erinnern, die vom sechs-ten Dezember 2017 bis zum ersten Mai 2018 in der Doro-theergasse 11 zu sehen war. Unser herzlichster Dank gilt da-bei neben dem ganzen Haus Gabriele Kohlbauer-Fritz, einer der Kuratorinnen der Ausstellung, die uns tatkräftig und umsichtig unterstützt hat. Insgesamt werden angesichts un-serer Bildstrecke auf verschiedenen visuellen Ebenen die po-sitiven Verbindungen von Sozialismus und Judentum ebenso deutlich, wie die Tatsache, dass der eliminatorische Antise- mitismus der Nazis im „jüdischen Bolschewismus“ seinen absoluten Erzfeind erblickt(e) … Insgesamt hofft die Redaktion der ZUKUNFT als Diskussi- onszeitschrift ihrem Namen gerecht zu werden, um eine ver-nünftige und aufgeklärte Debatte zu Israel und Antisemitismus anzustoßen und zu begleiten. In diesem Sinne bleibt nur zu grüßen: Schalom, Genoss*innen!  PS: Rudi Gelbard, der Kämpfer, hat den nunmehrigen  Chefredakteur der ZUKUNFT in mehreren persönlichen Gesprä- chen mit den verschiedenen Formen des Zionismus vertraut gemacht und ihn dabei auch zu den dunklen Seiten des Plane-ten geführt. Sein Fehlen hinterlässt in der österreichischen So-zialdemokratie eine unendliche Leere. In Erinnerung an seine lebendige Zeugenschaft schmerzt es tief, dass er nicht mehr ist, um mit uns über Israel und Antisemitismus zu diskutieren und den antifaschistischen Dialog über die Generationen hinweg fortzusetzen. Gerade deshalb sind jede Seite, jeder Satz und jedes Bild dieser Ausgabe seinem Andenken gewidmet. ALESSANDRO BARBERI   ist Chefredakteur der ZUKUNFT, Historiker, Bildungswissenschaftler,   Medienpädagoge und Privatdozent. Er lebt und arbeitet in Magdeburg  und Wien. Politisch ist er in der SPÖ Landstraße als Bildungssprecher der  Sektion Wildganshof aktiv. Weitere Infos und Texte online unter:   https://lpm.medienbildung.ovgu.de/team/barberi/


 ZUKUNFT | 5  Inhalt 6     Warum BDS antisemitisch ist    VON ALEX FEUERHERDT UND FLORIAN MARKL 16    Falsche Kapitalismuskritik und       struktureller Antisemitismus     VON SEBASTIAN SCHNEIDER UND ISOLDE VOGEL 22    Israel als Streitfall. Antisemitismus und die       radikale Linke in Österreich     VON STEPHAN GRIGAT 32    Vergleichen, gleichsetzen, verkennen –       Zur kolonialen Umdeutung des Holocaust      im  Historikerstreit 2.0     VON STEFFEN KLÄVERS 38   „… dass sich die Linke durch      ihren Antizionismus selbst vergisst …“      INTERVIEw MIT MARLENE GALLNER,       GEFÜHRT VON GEORG PEPL 44     Rezension:  Israel – Traum und Wirklichkeit des       jüdischen Staates von Michael Brenner    VON MARIE-THERES STAMPF 48   Nolo Contendere! Zur Freundschaft zwischen       Walter Benjamin und Gershom Scholem     VON THOMAS wILKE   D. Bernstein: Postkarte auf Karl Marx, „Der moderne Moses“,  Frankreich, Ende 19. Jahrhundert © Jüdisches Museum Wien, Slg. JMW, Inv.  Nr. 25439. IMPRESSUM Herausgeber: Gesellschaft zur Herausgabe der Zeitschrift »Zukunft«, 1110 Wien, Kaiser-Ebersdorfer-Straße 305/3 Verlag und Anzeigenannahme: VA Verlag GmbH, 1110 Wien, Kaiser-Ebersdorfer-Straße 305/3, Mail: office@vaverlag.at Chefredaktion: Alessandro Barberi Stellvertretende Chefredaktion: Thomas Ballhausen  Redaktions assistenz:  Bianca Burger Redaktion: Hemma Prainsack, Katharina Ranz, Marie-Theres Stampf, Constantin Weinstabl, Elisabeth Theresia Widmer  Online-Redaktion: Bernd Herger Mail an die Redaktion:  redaktion@diezukunft.at Cover: D. Bernstein: Postkarte auf Karl Marx, „Der moderne Moses“, Frankreich, Ende 19. Jahrhun-dert © Jüdisches Museum Wien, Slg. JMW, Inv. Nr. 25439 – Namentlich gekennzeichnete Beiträge sind urheberrechtlich geschützt und stellen nicht immer die Meinung von Redaktion, Herausgeber*innen und Verlag dar.


 6 | ZUKUNFT  Die BDS-Bewegung behauptet, nichts gegen Jüdinnen und Juden zu haben, sondern lediglich gegen den Staat Israel und den Zionismus zu sein. Doch das stimmt nicht.  ALEX FEUERHERDT  und  FLORIAN MARKL  zeigen, warum die Israel- Boykottbewegung antisemitisch ist und dass ihr Agieren einen Frontalangriff auf das Judentum darstellt. Warum BDS antisemitisch ist Die Israel-Boykottbewegung und ihr Angriff auf das Judentum WARUM BDS ANTISEMITISCH IST  VON ALEX FEUERHERDT UND FLORIAN MARKL I. EINLEITUNG „Die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Be- wegung sind antisemitisch.“ So lautet die zentrale Feststel-lung eines gemeinsamen Antrags von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, der vom Deutschen Bundestag am 19. Mai 2019 angenommen wurde. Da das Parlament auch Äußerungen und Übergriffe ablehne, die als vermeintliche Kritik an der Politik des Staates Israel formuliert würden, tat-sächlich aber Ausdruck des Hasses auf Jüdinnen und Juden seien, beschloss es, die BDS-Bewegung zu verurteilen. Der Bundestag forderte die Bundesregierung auf, keine BDS-Ver-anstaltungen zu unterstützen und ihnen keine Räumlichkei-ten zur Verfügung zu stellen, keine Organisationen zu fördern, die das Existenzrecht Israels ablehnen und keinen Projekten finanziell unter die Arme zu greifen, „die zum Boykott Israels aufrufen oder die BDS-Bewegung aktiv unterstützen“. Einige Monate später verabschiedete der österreichische  Nationalrat einstimmig einen Entschließungsantrag, in dem „jede Form von Antisemitismus, einschließlich israelbezo-genem Antisemitismus“ sowie Boykottaufrufe scharf verur-teilt wurden. Die Bundesregierung solle „Organisationen und Vereinen, die sich antisemitisch äußern oder das Existenzrecht Israels in Frage stellen“, keine Räumlichkeiten zur Verfügung stellen und „Veranstaltungen der BDS-Bewegung oder von Gruppen, die deren Ziele verfolgen, weder finanziell noch in anderer Form […] fördern“. Neben dem deutschen und dem österreichischen Parla- ment haben bereits zahlreiche andere Körperschaften und Ein- richtungen Beschlüsse gefasst, in denen die Israel-Boykottbe-wegung als antisemitisch eingestuft und jeglicher Kooperation mit ihr eine Absage erteilt wird, darunter die Länderparla-mente von Berlin, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfa-len, Thüringen und der Steiermark, die Stadtregierungen von Wien, Graz, Frankfurt und München, die Studierendenver-tretungen zahlreicher Universitäten, gewerkschaftliche Orga-nisationen und viele andere mehr. Die  BDS-Bewegung bestreitet demgegenüber vehement,  mit Antisemitismus etwas zu tun zu haben. Dass ihr entspre-chende Vorwürfe gemacht werden, führt sie auf eine bösartige Kampagne zurück, die dem Zweck dienen soll, sie mundtot zu machen und das, was sie als „palästinensischen Wider-stand“ bezeichnet, zu diskreditieren. Der Streit über die Ein-schätzung von BDS führt direkt zu einem Thema, das seit gut 20 Jahren unter dem Schlagwort eines „neuen Antisemitis-mus“ diskutiert wird – nämlich zur Frage, wo legitime Kritik an israelischer Politik aufhört und eine antisemitisch motivier-te Ablehnung der Existenz Israels beginnt. NEUER ANTISEMITISMUS?HG. VON CHRISTIAN HEILBRONN,  DORON RABINOVICI UND ANTAN SZNAIDER BERLIN: SUHRKAMP  494 SEITEN | € 20,00  ISBN: 978-3-518-12740-7  ERSCHEINUNGSTERMIN: MÄRZ 2019


II.  VERSUCHE, DEN ANTISEMITISMUS ZU   DEFINIEREN Um eine Unterscheidung zwischen legitimer Kritik an is- raelischer Politik und Ausdrucksformen von israelbezogenem Antisemitismus treffen zu können, wurden in den vergange-nen Jahren mehrere Definitionsversuche unternommen. Die zwei gängigsten sind die sogenannte „Arbeitsdefinition Anti-semitismus“ der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassis-mus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC), die in weiterer Folge von der International Holocaust Remembrance Alliance übernommen wurde, und der sogenannte 3D-Test des ehemaligen sowjeti-schen Dissidenten und späteren Leiters der Jewish Agency, Na-tan Sharansky. An Versuchen, Antisemitismus zu definieren, gibt es seit  der Erfindung des Begriffs in den späten 1870er-Jahren zwar keinen Mangel. Aber der EUMC-Vorschlag, der am 28. Janu-ar 2005 angenommen wurde, unterschied sich in zumindest dreierlei Hinsicht vom Großteil der vorherigen Definitionen. Erstens war er nicht das Werk eines einzelnen Forschers,  wie viele der früheren Bestimmungsversuche, sondern das Ergebnis einer Zusammenarbeit mehrerer Institutionen und zahlreicher Expert*innen. Zweitens war die „Arbeitsdefiniti-on Antisemitismus“ genau das, was der Name sagte: Sie soll-te keine umfassende theoretische Erörterung des Phänomens Antisemitismus bieten, sondern in erster Linie als praktisch orientierte Hilfestellung zur Erkennung, Identifizierung, Do-kumentation, Bekämpfung und strafrechtlichen Verfolgung von Antisemitismus dienen. Lehrer*innen, Polizist*innen und Richter*innen brauchen für ihren beruflichen Alltag keine gelehrten Ausführungen über die Vorstellungen, die Antisemit*innen mit Jüdinnen und Juden verbinden, sondern handhabbare Kriterien für die Erkennung und Bewertung an-tisemitischer Äußerungen und Aktivitäten. Um das zu leisten, musste sich die Arbeitsdefinition, drit- tens, zwangsläufig auch mit der Variante des Judenhasses be-schäftigen, die in den vergangenen rund 20 Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat und zunehmend in den Fokus öffentlicher Debatten gerückt ist: dem israelbezoge-nen Antisemitismus. Dass der jüdische Staat den Hass von Antisemit*innen auf sich ziehen kann, hat schon früher Ein-gang in Begriffsdefinitionen gefunden – bereits vor dem Sechstagekrieg von 1967, also noch bevor Israel in den Augen vieler zur „Besatzungsmacht“ geworden ist, gingen die Heb- räische Enzyklopädie (1958) und Webster’s Third New Internatio-nal Dictionary (1961) auf den gegen Israel gerichteten Antise-mitismus ein. Aber nach dem Scheitern der Verhandlungen von Camp  David im Sommer 2000, dem Beginn des oft als „zweite Inti-fada“ verharmlosten palästinensischen Terrorkrieges gegen Is-rael im Herbst desselben Jahres und als Folge der Anschläge vom 11. September 2001 gewann der israelbezogene Antise-mitismus eine neue und beängstigende Virulenz. Sollte der Anspruch der Praxisorientierung nicht völlig verfehlt werden, konnte die Arbeitsdefinition nicht anders, als sich auch die-ser Ausdrucksform des Judenhasses zu widmen, die Monika Schwarz-Friesel und Jehuda Reinharz als die heutzutage (zu-mindest verbal) dominante Form bezeichnen. Sie sprechen treffend von einer „Israelisierung des Antisemitismus“: Zeit-genössische Antisemit*innen hätten „das ‚jüdische Problem‘ in das ‚Israel-Problem‘ verwandelt“. Die  EUMC definierte Antisemitismus als „eine bestimmte  Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann“. Der Antisemitismus richte sich „in Wort oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeinde-institutionen oder religiöse Einrichtungen“. Nach dieser all-gemeinen und eher vagen Bestimmung kommt sie auf Isra-el zu sprechen: Antisemitismus könne sich auch „gegen den Staat Israel richten, der dabei als jüdisches Kollektiv verstan-den wird“. Insgesamt werden in der Arbeitsdefinition sieben Beispiele für diesen israelbezogenen Antisemitismus ange-führt. So z. B. das Abstreiten des Rechts des jüdischen Vol-kes auf Selbstbestimmung, die Anwendung doppelter Stan-dards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet und verlangt wird, Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Po-litik der Nationalsozialisten oder das Bestreben, alle Jüdinnen und Juden kollektiv für Handlungen des Staates Israel verant-wortlich zu machen. Die EUMC wies übrigens ausdrücklich darauf hin, dass Kri- tik an Israel nicht antisemitisch ist, wenn sie derjenigen ent-spricht, die auch an anderen Staaten geübt wird – ein Pas-sus, der von all jenen geflissentlich ignoriert wurde, die durch die Arbeitsdefinition die Meinungsfreiheit eingeschränkt se-hen, weil darin angeblich jegliche Kritik an Israel unter An-tisemitismusverdacht gestellt werde. Im Mai 2016 wurde die   ZUKUNFT | 7 


 8 | ZUKUNFT  WARUM BDS ANTISEMITISCH IST  VON ALEX FEUERHERDT UND FLORIAN MARKL Arbeitsdefinition auf einem Treffen in Rumänien von der In-ternational Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) angenommen. Der IHRA gehörten zum damaligen Zeitpunkt 31 Staaten an, darunter Österreich, Deutschland sowie 22 weitere EU-Län-der. Die Arbeitsdefinition wurde mittlerweile von zahlreichen Ländern offiziell angenommen, darunter die USA, Großbri-tannien, Israel, Kanada sowie 15 EU-Staaten, darunter auch Deutschland und Österreich. Die inhaltlichen Bestimmungen dieses Vorschlags zur  Identifizierung von israelbezogenem Antisemitismus lassen sich als Ausformulierung eines noch knapperen Definitions-versuchs verstehen, den der bereits erwähnte Natan Sharans-ky, ursprünglich 2004 vorgebracht und später noch ein wenig erweitert hat. Der Ausgangspunkt seiner Überlegungen war der „neue Antisemitismus“, der sich vordergründig nicht ge-gen Jüdinnen und Juden oder die jüdische Religion, sondern gegen den jüdischen Staat richtet und im Mantel vermeint-lich legitimer Kritik an Israel daherkommt, oft auch unter Be-rufung auf hehre moralische Werte wie Menschenrechte oder Antirassismus.  Um zwischen legitimer Kritik und israelbezogenem Anti- semitismus zu unterscheiden, schlug Sharansky den sogenann-ten 3D-Test vor. Antisemitismus liegt demnach vor, wenn eines von drei „D“ erfüllt wird: Das erste D steht für Dämo-nisierung, dazu zählen beispielsweise Vergleiche zwischen Isra-elis und Nazis oder zwischen palästinensischen Flüchtlingsla-gern und Auschwitz. Das zweite D steht für „double standards“, also das Messen mit zweierlei Maß, das gegeben ist, wenn an Israel andere Maßstäbe angelegt werden als an andere Länder. Das dritte D steht schließlich für Delegitimierung. Früher hät-ten Antisemiten die Legitimität der jüdischen Religion oder des jüdischen Volkes abgestritten, heute versuchten sie dassel-be mit dem jüdischen Staat, so Sharansky. Selbstredend müsse nicht jede Kritik an israelischer Politik antisemitisch sein, aber das Bestreiten des Existenzrechts Israels an sich, sei als Aus-druck von Antisemitismus zu bewerten. Sharanskys 3D-Test hat sich als wohl einflussreichstes Mit- tel zur Identifizierung von israelbezogenem Antisemitismus erwiesen, was sowohl an seinem griffigen Namen als auch an seiner unkomplizierten Anwendbarkeit liegt. Substanziell un-terscheiden sich seine Kriterien kaum von denen der EUMC- bzw. IHRA-Definition, sie ergänzen einander vielmehr. III.  ANWENDUNG DER DEFINITIONEN AUF DIE    BDS-BEWEGUNG Wie sieht es nun vor dem Hintergrund dieser Definitio- nen mit der BDS-Kampagne aus? Handelt es sich bei ihrer Agi-tation, wie sie selbst stets behauptet, um legitime Kritik an Is-rael oder haben wir es mit israelbezogenem Antisemitismus zu tun? Die Antwort könnte klarer nicht ausfallen: Egal, ob man Sharanskys 3D-Test oder die EUMC- bzw. IHRA-Definition he-ranzieht, die Propaganda der Israel-Boykotteur*innen weist fast alle der angeführten Identifizierungsmerkmale für israel-bezogenen Antisemitismus auf. Nehmen wir den 3D-Test. Nicht der geringste Zweifel  besteht daran, dass die BDS-Kampagne Israel dämonisiert. Ihre verbal in höchstem Maße aggressive Propaganda besteht in der Tat zum größten Teil darin, den jüdischen Staat systemati-scher Menschenrechtsverletzungen und schlimmster Verbre-chen anzuklagen. Rassistische Diskriminierung, Apartheid, ethnische Säuberung, Genozid, Kriegsverbrechen, Kolonialis-mus, Imperialismus, Ausbeutung und Islamophobie sind nur einige der Invektiven, die Israel unablässig und in so hoher Frequenz entgegengeschleudert werden, dass BDS-Stellung-nahmen sich weniger wie Bestandteile einer politischen Kam-pagne lesen, denn vielmehr als Manifestationen eines geopoli-tischen Tourette-Syndroms. Nicht unüblich ist es auch, Israel mit dem Nationalsozi- alismus auf eine Stufe zu stellen oder den langjährigen israe-lischen Premierminister Netanjahu mit Hitler gleichzusetzen – vor dem Hintergrund des Holocaust die höchstmögli-che Form der Dämonisierung des jüdischen Staats, die folge-richtig in den EUMC- bzw. IHRA-Arbeitsdefinitionen explizit als ein Beispiel für israelbezogenen Antisemitismus angeführt wird. NS-Israel-Vergleiche verkehren die Realität und betrei-ben eine Täter-Opfer-Umkehr, indem sie Israel als die neuen Nazis und die Palästinenser*innen als die neuen „Juden“ prä-sentieren. Der Holocaust wird instrumentalisiert und zu einer Waffe im Propagandakampf gegen Israel gemacht. Vor allem in sozialen Medien bedienen sich BDS- Aktivist*innen dieser Form der Dämonisierung Israels. BDS Frankreich etwa postete eine bildliche Gleichsetzung einer is-raelischen Soldatin mit einem BDM-Mädchen und versah das mit dem Kommentar: „Die Nazis und die Zionisten sind zwei Seiten derselben Medaille.“ Die Palestine Solidarity Campaign, eine der führenden britischen BDS-Organisationen, veröffent-lichte auf Facebook zwei Zeichnungen, die den Nationalsozi-


 ZUKUNFT | 9  alismus und den Zionismus auf eine Stufe stellten, indem sie einen Nazi-Soldaten mit einem israelischen Soldaten und ei-nen jüdischen Jungen, der einen Davidstern trägt, mit einem jungen Palästinenser gleichsetzte. Auf anti-israelischen Demonstrationen, die während der  kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Israel und der Hamas im Sommer 2014 von der Palestine Solidarity Campaign in London organisiert wurden, waren auf Plakaten und Trans-parenten Slogans zu lesen wie „Stoppt den palästinensischen Holocaust sofort – das faschistische Israel wird der Gerech-tigkeit nicht entgehen“, „Völkermord, Holocaust, Apartheid 2014“ und „Bush und Blair sind unsere Hitler, Gaza ist unser Auschwitz“. Großer Beliebtheit erfreut sich auch die Wort-schöpfung „ZioNazi“, so etwa bei Sarah Wilkinson von der Palestine Solidarity Campaign. Auf Twitter bezeichnete sie Isra-el als „brutale ZioNazi-Okkupation“, die „langsam Völker-mord umsetzt“. All das dient ausschließlich dem Zweck, Isra-el als durch und durch verdammungswürdigen Verbrecherstaat darzustellen. Genauso wenig wie bestritten werden kann, dass die BDS- Kampagne Israel systematisch dämonisiert, können Zwei-fel daran aufkommen, dass dabei an den jüdischen Staat ständig  völlig andere Maßstäbe angelegt werden als an andere Akteur*innen. Das zeigt sich schon an der Frage, warum aus-gerechnet Israel zum Gegenstand einer weltweiten Kampag-ne geworden ist, anders als zahlreiche andere Staaten, die sich wirklich unbestreitbarer Verbrechen schuldig gemacht haben. Die Antwort von BDS lautet, dass die Boykottbewegung von Palästinenser*innen angeführt werde und es „nur logisch“ wäre, dass sich ihr Kampf gegen Israel richte, „und nicht ge-gen Nordkorea“. Das ist allerdings eine Antwort, die keine ist. Denn die  Frage lautet nicht, warum Palästinenser*innen gegen Israel kämpfen, sondern warum Menschen in zahlreichen Ländern, die mit dem palästinensisch-israelischen Konflikt nichts zu tun haben, sich auf gerade diese Auseinandersetzung konzentrie-ren und sie zum Gegenstand ihrer politischen Agitation ma-chen. Was begründet ihre moralische und politische Entrüs-tung ausgerechnet über Israel? Objektive Faktoren können es schwerlich sein. Israel ist, wie jeder andere Staat der Welt auch, nicht perfekt, begeht Irrtümer, macht Fehler und ver-stößt manchmal gegen die Werte, die es selbst hochhält. Aber wenn man einmal von frei erfundenen Vorwürfen absieht, tut Israel nichts, was nicht von anderen Staaten in weit größerem  Ausmaß getan wird – ohne den Furor der Boykotteur*innen auf sich zu ziehen. Wenn  BDS-Aktivist*innen wirklich die Menschen- rechte von Palästinenser*innen am Herz liegen, wa-rum hört man von ihnen dann nichts über die Lage der Palästinenser*innen in arabischen Staaten wie dem Liba-non, in denen ihnen – anders als in Israel – grundlegende Rechte vorenthalten werden? Wo blieb der Aufschrei von BDS, als in den vergangenen Jahren in Syrien palästinensi-sche Wohnviertel vom Regime in Schutt und Asche ge-bombt, einer jahrelangen Hungerblockade ausgesetzt und Tausende Palästinenser*innen ermordet wurden? Warum zählt das Leid von Palästinenser*innen für BDS nur, wenn es Israel in die Schuhe geschoben werden kann, bleibt aber unbeachtet, wenn es von anderen verursacht wird? Gibt es eine andere Erklärung dafür, als dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird, um gegen Israel zu agitieren? Angesichts der zahlreichen Regierungen, die höchst reale  Verbrechen begehen, mutet es umso bizarrer an, dass BDS ausgerechnet den jüdischen Staat herausgreift und ständig mit grotesk überzogenen Vorwürfen und Anklagen wegen angeblicher Verbrechen diffamiert. Was bringt etwa BDS-Aktivist*innen dazu, sich als israelische Soldaten zu verklei-den und in einer Wiener Fußgängerzone kaltblütige „Hin-richtungen“ von Palästinenser*innen „nachzustellen“, die es so in der Wirklichkeit nicht gibt? Wir können in die Köpfe dieser Aktivist*innen nicht hineinschauen und deshalb über ihre Motivation nur spekulieren. Aber unabhängig von ihren subjektiven Gründen ist klar, was sie objektiv tun: mit zwei-erlei Maß messen, um mit ihren maßlosen Anklagen Israel zu verdammen. Nach alledem kann nicht mehr überraschen, dass die BDS- Bewegung auch Sharanskys drittes Kriterium für israelbezo-genen Antisemitismus erfüllt: die Delegitimierung des jüdischen Staates. Zwar bekennt sie sich in ihren Veröffentlichungen nicht offen zum Ziel der Zerstörung Israels, aber genau das ist die Folge der Dämonisierung des jüdischen Staates – und zahlreiche  BDS-Aktivist*innen sprechen das auch offen aus. Der BDS-Unterstützer Abbas Hamideh etwa schrieb auf Twit-ter: „Israel hat kein Existenzrecht. Die terroristische Entität ist illegal und hat keine Existenzgrundlage außer ihrer IS-ähn-lichen Ideologie.“ Hatem Bazian, der Gründer der American Muslims for Palestine und der Students for Justice in Palestine – beides in der BDS-Bewegung äußerst aktive Organisationen –, 


 10 | ZUKUNFT  WARUM BDS ANTISEMITISCH IST  VON ALEX FEUERHERDT UND FLORIAN MARKL schrieb ebenfalls auf Twitter: „Die ‚jüdische Nation‘ ist der zentrale Mythos des Zionismus. Er muss niedergerissen wer-den.“ Der BDS-Befürworter Ahmed Moor bezeichnet BDS als ein „Langzeitprojekt mit radikal transformativem Potenzial“ und spricht offen aus: „Gut, BDS bedeutet also wirklich das Ende des jüdischen Staates.“ Für den weltweit wohl prominentesten BDS-Aktivisten  Omar Barghouti ist das Ende Israels die einzig logische Fol-ge des Apartheidvorwurfs. Ein jüdischer Staat kann aus sei-ner Sicht „gar nicht anders, als den grundlegenden Rechten der eingeborenen palästinensischen Bevölkerung zu wider-sprechen und ein System der rassistischen Diskriminierung aufrechtzuerhalten“, weshalb keine Palästinenser*innen „je-mals einen jüdischen Staat in Palästina akzeptieren“ wer-den. Wer denselben Gedanken lieber ein wenig intellektu-eller ausgedrückt haben will, kann sich an die Philosophin Judith Butler halten, die zwar keine offizielle Vertreterin von BDS ist, aber trotzdem als akademisches Aushängeschild der Is-rael-Boykotteur*innen fungiert. Auch ihr geht es nicht um „eine bloße Bereinigung oder um Reformen“, sondern um die „Überwindung der Struktur jüdischer Souveränität und demografischer Überlegenheit“. Die Verpackung mag anders aussehen, das Ziel ist das gleiche: die Beseitigung Israels als Konsequenz der „Einsicht“ in die Illegitimität des jüdischen Staates. Kurzum: Die Dämonisierung Israels ist das tägliche Brot der  BDS-Bewegung, sie misst offenkundig mit zweierlei Maß und legt an Israel völlig andere Maßstäbe an als an das Handeln an-derer Staaten, und die Delegitimierung des jüdischen Staates ist Kern und Absicht der gesamten Kampagne. In der Rezeption von Sharanskys 3D-Test wurde darü- ber debattiert, ob schon das Vorhandensein von nur einem der drei D israelbezogenen Antisemitismus belegt. Im Hin-blick auf die Israel-Boykottbewegung erübrigt sich diese Dis-kussion: Sie erfüllt mühelos genauso alle drei Kriterien Sha-ranskys, wie sich aus ihren Reihen unzählige Beispiele für fast alle der sieben Kriterien für israelbezogenen Antisemitismus der  EUMC- bzw. IHRA-Arbeitsdefinitionen anführen ließen – die Fülle an entsprechendem Material ist überwältigend. Misst man diesen Definitionen auch nur den geringsten Wert bei, so besteht am antisemitischen Charakter der BDS-Bewegung nicht der leiseste Zweifel. IV.  ISRAEL ALS WICHTIGSTES SYMBOL DES    ZEITGENÖSSISCHEN JUDENTUMS Zum selben Urteil muss man kommen, wenn man sich  unabhängig von diesen Definitionsversuchen mit der BDS-Kampagne auseinandersetzt und der Frage nachgeht, was de-ren Angriffe auf Israel für das heutige Judentum bedeuten. BDS wehrt sich gegen den Vorwurf des Antisemitismus mit  der Behauptung, nicht gegen Jüdinnen und Juden, sondern gegen den Staat Israel und die „Vermischung von Zionismus und Judentum“ zu agitieren. Die Gleichsetzung der Ableh-nung Israels mit Antisemitismus vermische „die Interessen des israelischen Staates mit [denen] der heterogenen jüdischen Bevölkerung in und außerhalb Israels“, heißt es etwa in einer Erklärung von BDS Austria. Nun stimmt es selbstverständlich, dass Israel nicht für alle Jüdinnen und Juden weltweit sprechen kann, und ebenso wahr ist es, dass Jüdinnen und Juden außer-halb Israels nicht einfach mit dem jüdischen Staat identifiziert werden können. Aber umgekehrt sollte ebenso klar sein, dass die strenge  Unterscheidung von Judentum und Israel, die von der BDS-Bewegung angeblich vorgenommen wird – die Praxis dies-bezüglich sieht oft anders aus –, unhaltbar ist: Es handelt sich um eine ahistorische und in beachtlichem Ausmaß ignorante Illusion, die die Bedeutung und den Stellenwert Israels für das heutige Judentum beiseite wischt. Und so tut, als ob man Is-rael und das Judentum so fein säuberlich trennen könnte, dass man das eine angreifen kann, ohne auch das andere zu treffen. DIE ISRAEL-BOYKOTTBEWEGUNG ALTER HASS IN NEUEM GEWAND  BERLIN: HENTRICH UND HENTRICH  196 SEITEN | € 20,46  ISBN: 978-3955653965  ERSCHEINUNGSTERMIN: NOVEMBER 2020


 ZUKUNFT | 11  Um die Bedeutung des modernen Staates Israel für das  zeitgenössische Judentum zu verstehen, hilft ein Blick auf die demografischen Veränderungen der jüdischen Bevölke-rung weltweit. Fast zweitausend Jahre lang trug sich jüdisches Leben in zwei Kernregionen zu: im Nahen Osten (inklusi-ve Nordafrika) und in Europa. Andere Gegenden spielten die längste Zeit so gut wie keine Rolle. Zwischen 1933 und 1967, also im Laufe von nicht einmal 35 Jahren, änderte sich das fundamental. Am Vorabend des Holocaust lebten in Europa rund 9,5  Millionen Jüdinnen und Juden. Nachdem die Nazis und de-ren Handlanger*innen auch außerhalb Deutschlands und Ös-terreichs ihr tödliches Werk vollrichtet hatten, waren es nur mehr rund 3,5 Millionen. Nach Kriegsende verließen viele Überlebende die Länder, die zu riesigen Friedhöfen ihrer Ver-wandten geworden waren, in Richtung Israel und Amerika. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatten in Europa rund 60 % al-ler Jüdinnen und Juden weltweit gelebt, im Jahr 2016 waren es nur mehr rund 10 %. Das europäische Judentum, das Epizent-rum der jüdischen Welt, war ausradiert worden. In den Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs  hörte allerdings auch das zweite bisherige Epizentrum jüdi-schen Lebens zu existieren auf. Immer öfter wurden jüdische Gemeinden im Nahen Osten und in Nordafrika zum Ziel blutiger Angriffe. Auf die Verabschiedung der Resolution am 29. November 1947, in der die Generalversammlung der Ver-einten Nationen die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat vorschlug, folgten antijüdische Pogro-me im Jemen und in Syrien, überall wuchs die Repression gegen Jüdinnen und Juden, gesteigert noch einmal anlässlich der Gründung Israels. Die Folge war ein Exodus Hundert-tausender Jüdinnen und Juden aus den arabischen Ländern, von denen knapp 600.000 in Israel Zuflucht fanden. Jüdische Gemeinden, die es schon seit Hunderten von Jahren gege-ben hatte, verschwanden von der Landkarte. Mehrere Staa-ten wurden praktisch „judenrein“, nicht durch systematischen Massenmord wie in Europa, aber durch erzwungene Flucht und Vertreibung. 1945 lebten noch rund 900.000 Jüdinnen und Juden im arabischen Raum, heute sind es nur noch we-nige Tausend. Mehr als 99,5 % der jüdischen Bevölkerung der arabischen Staaten wurden ins Exil gezwungen. Der Holocaust und die Flucht und Vertreibung der ori- entalischen Juden hatten zur Folge, dass sich die Zentren jü- dischen Lebens von Europa und der arabischen Welt an zwei andere Orte verschoben: in die USA, wo die Zahl der Jüdin-nen und Juden mit der jüdischen Masseneinwanderung aus Osteuropa ab 1880 sprunghaft anstieg, und, nach fast zwei-tausendjähriger Unterbrechung, zurück nach Israel. Heute le-ben 85 % der Jüdinnen und Juden weltweit in den Vereinigten Staaten und in Israel. Anders gesagt, fast das gesamte jüdische Leben findet heute in zwei Gemeinschaften statt, die vor 135 Jahren praktisch noch nicht existiert haben. Die Verteilung zwischen Amerika und Israel ist im Mo- ment recht ausgewogen: Eine Studie aus dem Jahr 2018 kommt zum Ergebnis, dass in den USA aktuell rund 6,9 Millionen Jü-dinnen und Juden leben, ungefähr genauso viele wie in Israel. Die annähernde quantitative Ausgewogenheit sollte aber nicht über den enormen qualitativen Unterschied hinwegtäuschen, der zwischen den beiden Ländern existiert. Die Geschich-te der Jüdinnen und Juden in den USA ist ohne Zweifel eine Erfolgsstory, die in der westlichen Welt ihresgleichen sucht. Aber Jüdinnen und Juden waren dort stets eine kleine Min-derheit unter vielen anderen Gruppen, die die amerikanische Gesellschaft ausmachen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist in den vergangenen 50 Jahren von drei auf zwei Prozent gesunken, und ihre Zahl wird demografischen Prognosen zu-folge in den kommenden Jahrzehnten stark schrumpfen. Der Publizist Charles Krauthammer warnte bereits vor  mehr als 20 Jahren vor einem „katastrophalen Rückgang“ der Zahl amerikanischer Jüdinnen und Juden und sprach von ei-ner „sterbenden Diaspora“. Als umso größer schätzte Kraut-hammer daher die Bedeutung Israels für das Judentum insge-samt ein – des Landes, in dem Jüdinnen und Juden nicht als Minderheit leben, sondern das als jüdischer Staat zum „Her-zen des jüdischen Volkes geworden ist – seinem kulturellen, spirituellen und psychologischen Zentrum, und das bald auch sein demografisches Zentrum sein wird“.  Israel hat in gewissem Sinne auch den Platz des unterge- gangenen osteuropäischen Judentums eingenommen. Wie der Historiker Jacob Talmon 1976 in seinem in The Atlan-tic erschienenen Text über den „neuen Antisemitismus“ her-vorhob, in dem er auch die Formulierung von Israel als dem „kollektiven Juden der Nationen“ prägte, bedeutete die Sho-ah nicht bloß den Tod von rund sechs Millionen Jüdinnen und Juden, sondern auch das „unwiederbringliche und un-umkehrbare Ende einer lebendigen und reichhaltigen jüdi-


 12 | ZUKUNFT  WARUM BDS ANTISEMITISCH IST  VON ALEX FEUERHERDT UND FLORIAN MARKL schen Zivilisation, die sich über fast 15 Jahrhunderte in den Ländern Zentral- und Osteuropas entwickelt hatte“. Die heu-te bestehenden jüdischen Gemeinden in Europa und Ame-rika stellten für Talmon keinen Ersatz dar, zeigten sie doch „ein Bild der Atomisierung, des Zerfalls, des Mangels an au-thentischen jüdischen Merkmalen und wachsender Assimila-tion“. Ganz im Gegensatz zum jüdischen Staat: „Der einzige Erbe und Aufbewahrungsort der zerstörten jüdischen Zivili-sation ist Israel.“ Mehr noch: Seit seiner Gründung findet in Israel nicht  weniger als eine kulturelle Revolution statt – die Entstehung eines israelischen Judentums, das sich vom Judentum außer-halb Israels unterscheidet, weil es im Rahmen eines jüdischen Staates gedeihen kann. Wie sich das spezifisch Jüdische in die-sem Staat niederschlagen soll, das müssen die Israelis unterei-nander aushandeln – und genau das tun sie seit der Gründung des „jüdischen Start-ups“, wie Shmuel Rosner und Camil Fuchs in „#IsraeliJudaism“ schreiben:  „Ein israelisches Judentum erwächst aus der Freiheit der  israelischen Juden, ihren öffentlichen Raum so zu gestalten, dass er ihre jüdische Kultur zum Ausdruck bringt und erhält. Wie dieses Judentum aussehen soll, darüber gibt es keinen Konsens, sondern nur Streit. Aber sogar dieser Streit macht das israelische Judentum einzigartig, denn für Tausende von Jahren – bis vor sieben Jahrzehnten – wäre ein solcher Streit unmöglich gewesen.“ Es besteht kein Zweifel daran, dass Israel auch für die gro- ße Mehrheit der Jüdinnen und Juden außerhalb des Landes ein wichtiges, wenn nicht gar das wichtigste Symbol des zeitge-nössischen Judentums ist. Das trifft nicht zuletzt auf Jüdinnen und Juden zu, die sich als nicht religiös verstehen, aber sehr wohl zum Judentum bekennen: Für sie ist die Unterstützung des jüdischen Staates vielfach der entscheidende Bestandteil ihres jüdischen Selbstverständnisses. Das bedeutet nicht, dass sie automatisch die Politik der jeweiligen israelischen Regie-rung unterstützen; ob sie eine bestimmte Politik befürworten, ist Ausdruck ihrer persönlichen politischen Präferenzen. Aber es bedeutet sehr wohl, dass sie sich dem jüdischen Staat ver-bunden fühlen, weil das Bekenntnis zu Israel als der Verkör-perung des Rechts der Jüdinnen und Juden auf Selbstbestim-mung in ihrem historischen Heimatland selbstverständlich zu ihrem Judentum dazugehört. Dieser Unterschied kommt in Meinungsumfragen deut- lich zum Vorschein. Eine dieser Untersuchungen, über die in der Jerusalem Post Anfang Februar 2020 berichtet wurde, kam zu dem Ergebnis, dass sich 80 % der amerikanischen Jüdinnen und Juden als „pro-israelisch“ bezeichnen, wobei sich 67 % Is-rael „verbunden“ oder „sehr verbunden“ fühlen. Gleichzei-tig meinten 57 % der Befragten, sie seien „pro-israelisch, aber auch kritisch gegenüber israelischer Politik“, nur 23 % sagten, sie seien pro-israelisch und unterstützten die gegenwärtige is-raelische Regierung. Umfragen zum Verhältnis europäischer Juden zu Israel  kommen auf ähnliche Ergebnisse. Laut einer Studie der Agen-tur der Europäischen Union für Grundrechte von 2019 ist Israel für das Leben junger jüdischer Europäer*innen von großer Be-deutung: 76 % der Befragten haben Verwandte dort, für 73 % ist die Unterstützung Israels „wichtig für ihr Gefühl jüdischer Identität“. V.  BDS: EIN FRONTALANGRIFF AUF DAS  JUDENTUM Kehren wir vor diesem Hintergrund zum Thema BDS zu- rück: Was bedeuten die ständigen und in höchstem Maße dif-famierenden Angriffe auf den jüdischen Staat durch die Israel-Boykotteur*innen für Jüdinnen und Juden weltweit? Die unfairen und diffamierenden Vorwürfe der Israel- Boykotteur*innen, die nur den jüdischen Staat herausgreifen und das erklärte Ziel verfolgen, ihn zum internationalen Pa-riastaat zu machen, werden von vielen Jüdinnen und Juden weltweit als beleidigend empfunden und als Ausdruck von Antisemitismus verstanden. Und dabei ist es unerheblich, dass die BDS-Bewegung ständig betont, doch „nur“ gegen Israel, nicht aber gegen Jüdinnen und Juden an sich zu agitieren. Unabhängig von der Intention kann die Schmähung Israels als hochgradig beleidigend empfunden werden, weil eine enge Beziehung zwischen der jüdischen Identität einer Person und ihrer Bindung an Israel besteht. Weil rund 4/5 aller Jüdinnen und Juden in Amerika und  in Europa sich Israel eng oder sehr eng verbunden fühlen, empfinden viele von ihnen es als einen Angriff auf das Juden-tum, wenn die Israel-Boykotteur*innen in ihrer Propaganda den einzigen jüdischen Staat der Welt ständig in den Dreck ziehen. Wenn die BDS-Bewegung behauptet, sie richte sich 


 ZUKUNFT | 13  nicht gegen Jüdinnen und Juden, dann geht sie dabei über die große Mehrheit der Jüdinnen und Juden hinweg, in deren Selbstverständnis Israel sehr wohl eine große Bedeutung zu-kommt. Weil die Israel-Boykotteure Zionismus grundsätzlich für verbrecherisch halten, richtet sich ihr Hass zwangsläufig auch gegen den überwältigenden Großteil der Jüdinnen und Juden außerhalb Israels, sofern diese nicht bereit sind, sich von ihrem Verständnis des Judentums zu verabschieden. Für einen derartigen Angriff auf ein wichtiges Symbol des Judentums und auf eine wesentliche Komponente jüdischer Identität gibt es einen Begriff: So etwas nennt man Antisemitismus. Antisemitisch in diesem Sinne ist aber nicht nur die Pro- paganda der BDS-Kampagne, sondern auch das Ziel, das sich aus den zentralen Forderungen der Israel-Boykotteur*innen ergibt: die Beseitigung Israels als jüdischer Staat. Denn die-se würde, wie Jacob Talmon schon 1976 schrieb, „ein Mes-ser direkt ins Herz des Judentums stoßen“ – nicht nur, weil sie wahrscheinlich erneut die Auslöschung von Millionen Ju-den bedeuten würde, sondern auch, weil damit „der letzte Überrest der integralen historischen jüdischen Zivilisation“ vernichtet würde. „Dieser Schlag würde sich für das Juden-tum weltweit – für sein Selbstgefühl, seinen Glauben an sich selbst und an seine Zukunft – als so schwer erweisen, dass es ihn nicht überstehen würde.“ In diesem Sinne hängen, wie Charles Krauthammer be- tonte, „die Existenz und das Überleben des jüdischen Vol-kes“ von der Existenz des jüdischen Staates ab – und das umso mehr, je größer der relative Stellenwert Israels für das Juden-tum geworden ist und in den kommenden Jahrzehnten noch zunehmend wird. Das „Ende Israels bedeutet das Ende des jüdischen Volkes. […]. Es kann nicht noch einmal Zerstö-rung und Exil überleben.“ Am Bestehen Israels hänge „die einzige Hoffnung für das Fortbestehen und Überleben des Judentums“. Wie gezeigt, gibt es nach der weitgehenden Ermordung  der europäischen Jüdinnen und Juden und der fast vollstän-digen Flucht und Vertreibung der orientalischen Juden heu-te zwei Zentren des Judentums: die USA und Israel. Die Besei-tigung des jüdischen Staates, also die Zerstörung eines dieser beiden Zentren und des dort entstandenen israelischen Juden-tums, wäre in der Tat ein für das Judentum kaum oder gar nicht verkraftbarer Schlag: Übrig blieben dann – neben den  verhältnismäßig kleinen Gemeinden in Europa und anders-wo – nur noch die USA mit ihren schrumpfenden jüdischen Gemeinden. Darin ein Untergangsszenario für das Juden-tum insgesamt zu sehen, ist, wenn überhaupt, nur eine klei-ne Übertreibung. Wenn es so ist, dass die Umsetzung der Forderungen der  Israel-Boykotteur*innen das Ende des jüdischen Staates be-deuten würden, dann zielt die BDS-Bewegung auf nichts Ge-ringeres ab, als dem Judentum insgesamt so schweren Scha-den zuzufügen, dass dessen weitere Existenz gefährdet wäre. Aus diesem Blickwinkel kann der Befund daher ebenfalls nur lauten: Unabhängig von den Niederungen ihrer alltäglichen, dämonisierenden Propaganda handelt es sich bei BDS um eine fundamental antisemitische Kampagne. ALEX FEUERHERDT ist freier Publizist. Er veröffentlicht regelmäßig Texte zu den   Schwerpunktthemen Israel/Nahost, Antisemitismus und Fußball, u. a. in  der  Jüdischen Allgemeinen, bei n-tv.de, in der Jungle World und konkret.  Zudem ist er Betreiber des Blogs  Lizas Welt. FLORIAN MARKL  ist Politikwissenschaftler und wissenschaftlicher Leiter des   unabhängigen Nahost-Thinktanks  Mena-Watch in Wien. Zuvor war er   Archivar und Historiker beim  Allgemeinen Entschädigungsfonds für   Opfer des Nationalsozialismus und Lehrbeauftragter an der Universität  Wien. Im Herbst 2020 hat er gemeinsam mit Alex Feuerherdt das Buch  Die Israel-Boykottbewegung – Alter Hass in neuem Gewand vorgelegt.


 14 | ZUKUNFT  Deckblatt des Katalogs der Ausstellung  Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden   Herausgegeben von Gabriele Kohlbauer-Fritz und Sabine Bergler (im Auftrag des Jüdischen Museums Wien) (2017): Wien: amalthea Signum Verlag  © Jüdisches Museum Wien. Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden 


 ZUKUNFT | 15  Porträt-Postkarte von Karl Marx mit jiddischer Beschriftung, Warschau, um 1920 © Jüdisches Museum Wien, Slg. IKG, Inv. Nr. 4863. Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden 


 16 | ZUKUNFT  FALSCHE KAPITALISMUS-KRITIK UND STRUKTURELLER ANTISEMITISMUS  VON SEBASTIAN SCHNEIDER & ISOLDE VOGEL Falsche Kapitalismus- kritik und struktureller  Antisemitismus SEBASTIAN SCHNEIDER  und  ISOLDE VOGEL  gehen jener vermeintlichen Kapitalismuskritik auf den Grund, die den  Kapitalismus als personelles Herrschaftsverhältnis missversteht und sich damit nicht selten in antisemitische Argumentati-onsmuster verstrickt. I. EINLEITUNG Der Kapitalismus verursacht weltweites Elend: Ausbeu- tung, Konkurrenzdruck, Armut. Dass dieses System vielfach in der Kritik steht, ist nur logisch. Doch dabei fällt auf: Die Aufhebung jener Verhältnisse, die das Elend hervorbringen, wird nur selten gefordert. Während eine Analyse der Vorgänge dieses Systems kaum  stattfindet, kommt solch eine zu kurz greifende Kritik am Ka-pitalismus wohl auch selten zu dem Schluss, dass es die Ver-hältnisse sind, die das Elend verursachen. Stattdessen werden einzelne Schuldige für die gesellschaftlichen Zumutungen verantwortlich gemacht. Man kann solche Kritik als verkürzt oder falsch oder in den Worten Moishe Postones (1979) als „rückwärts gewandt“ bezeichnen, denn sie schießt am Ei-gentlichen vorbei und drängt auf die Aufteilung der Welt in Gut und Böse. Wenn Finanzkapitalist*innen, Bankiers oder reiche und mächtige Einzelpersonen im Fokus der Kritik ste-hen, deutet sich an: Hier werden die unverstandenen struk-turellen Phänomene als gezielte Handlungen einiger Weni-ger missverstanden. Fallen Stichworte wie „Ostküste“ oder „Wallstreet“, die als Codes für verdeckten Antisemitismus zu deuten (und nicht selten auch so gemeint) sind, wird noch klarer, wohin solch falsche Kritik schnell führen kann. Um falsche Kritik, die sich auch noch in antisemitische Argumen-tationsmuster verstrickt, erkennen und zurückweisen zu kön-nen, ist es notwendig die Struktur und grundlegenden Ele-mente des antisemitischen Weltbildes zu verstehen. II.  ANTISEMITISMUS ALS ALLUMFASSENDE  WELTERKLÄRUNG Im 19. Jahrhundert entstand der moderne Antisemitis- mus als eine antimoderne und antiaufklärerische Bewegung, fußend auf jahrhundertealten traditionellen und oft religiös motivierten antijüdischen Ressentiments und Mythen. Mit dem Umbruch zur Moderne, der Entwicklung des indust-riellen Kapitalismus und damit aufkommenden gesellschafts-politischen Veränderungen und Unsicherheiten, wandelt sich die Judenfeindschaft zu einer allesumfassenden Ideologie mit Welterklärungsanspruch. Jüdinnen und Juden werden dar-in als Sinnbild alles Schlechten identifiziert und für moderne Entwicklungen und allen damit einhergehenden Problemen schuldig gesprochen. Die Kontinuität der alten Stereotype, negativen Zuschrei- bungen und Vorwürfe zeigt die historische Vorbedingung der Entwicklung des modernen Antisemitismus. Beispielswei-se führte der „Wuchervorwurf“, vor dem Hintergrund des Ausschlusses aus Handwerk und Agrarwirtschaft infolge der Christianisierung Europas, zur Abdrängung vieler Jüdinnen und Juden in die (kirchlich verpönte) Geldwirtschaft und den Handel. Damit verbunden entstanden heute noch reaktivier-te Bilder und Vorurteile über die angebliche Wesensart und Charakteristik von Jüdinnen und Juden, wie auch das Vor-urteil, diese seien alle in Handel und Geldgeschäften aktiv und hätten besondere Raffinesse und Geschick in diesen Be-reichen. Die Verbindung von Jüdinnen und Juden mit Geld,  Zur Kritik der Personalisierung abstrakter Herrschaftsverhältnisse


 ZUKUNFT | 17  Zins und Reichtum und mit Charaktereigenschaften wie Gier, Hinterlist und Intellekt sind also historisch gewachsene Stereotype, auf denen der moderne Antisemitismus aufbaut. Besonders der Mythos der „jüdischen Weltverschwörung“  ist im modernen Antisemitismus zentral. Verschwörungser-zählungen, die auch oft Bezug auf alte Mythen nehmen (bei-spielsweise aus dem christlichen Antijudaismus, wie in der „Christusmordlegende“ oder dem „Brunnenvergiftungsmy-thos“), erklären Phänomene als durch eine im Geheimen agierende und bösartige elitäre Gruppe gelenkt. Im Antisemi-tismus verkörpern Jüdinnen und Juden diese als „Verschwö-rer“ ausgemachte Elite. Auch die Jüdinnen und Juden vor-geworfene „Wurzellosigkeit“ hat seither Tradition. Jüdinnen und Juden gelten im antisemitischen Weltbild nicht als Teil der Gemeinschaft, sondern werden als außerhalb der nationa-len Ordnung stehend gesehen, als „wurzellos“. Daran schließt die Verkörperung von übernationalen Phänomenen wie dem Kapitalismus in ihnen an. Jüdinnen und Juden werden als vermeintliche  „Drahtzieher*innen“ ausgemacht und in ihnen alle negativen Seiten der modernen Welt personalisiert. Antisemitismus dient der Erklärung aller möglichen ungeliebten Phänomene und Krisen (Globalisierung, Finanz- oder Gesundheitskrisen, Mig-rationsbewegungen, etc.) und eben auch des Kapitalismus und seiner negativen Implikationen. Die Personalisierung abstrak-ter oder unverstandener Phänomene, auch als Teil von Ver-schwörungserzählungen, ist ein zentrales Element der antise-mitischen Ideologie. Ein zentrales strukturelles Element der antisemitischen Weltanschauung ist neben dieser Personalisie-rung auch eine dualistische (also gegenüberstellende) Sichtwei-se auf alle Weltgeschehnisse, ein Einteilen in Gut und Böse. Mit pseudowissenschaftlichen „Rassentheorien“ begrün- det, richtet sich der moderne Antisemitismus – im Gegen-satz zu der religiös motivierten Judenfeindschaft – nicht nur gegen Jüdinnen und Juden, sondern auch gegen als „jüdisch“ imaginierte angebliche Wesensarten: gegen Intellektuali-tät, Abstraktheit, Modernität, Verschwörung und Macht und ihre vermeintliche Personalisierung. Da der Hass nicht mehr grundsätzlich religiös motiviert ist, müssen die antisemitisch Angegriffenen nicht jüdisch sein – vielmehr werden sie von Antisemit*innen zu Jüdinnen und Juden gemacht. Dem An-tisemitismus liegt also eine Struktur zugrunde, die sich auch ohne die konkrete Beschuldigung von Jüdinnen und Juden bzw. Feindmarkierung als jüdisch, nachweisen lässt. Damit ist Antisemitismus als verabsolutierende Weltan- schauung zu begreifen, die faktenresistent und in sich ver-schwörungsmythisch, personalisierend und von dualistischem Denken geprägt ist. III.  KAPITALISMUS UND FALSCHE  KAPITALISMUSKRITIK Herrschaftskritik ist angesichts ungelöster globaler Prob- leme, sozialer, humanitärer und ökologischer Krisen mehr als angebracht. Doch verstrickt man sich hier leicht in Fallstricke, denn Herrschaft im Kapitalismus ist im Gegensatz zu ihren historischen Vorläufern oft abstrakt und subjektlos. Anders als im Feudalismus, welcher auf klar erkennbaren, persona-len Herrschaftsstrukturen und direkter Gewalt aufbaute, ist sie im Kapitalismus vorwiegend über den Tausch von Waren ver-mittelt. Wie Karl Marx im Kapital (MEw 23) analysiert, tre-ten sich Lohnarbeiter*innen und Kapitalist*innen am freien Markt als Personifikationen ökonomischer Kategorien ge-genüber. Arbeiter*innen sind gezwungen ihre Arbeitskraft als Ware am Markt zu verkaufen, um ihre Existenz zu sichern. Kapitalist*innen sind gezwungen Arbeitskraft zu kaufen und auszubeuten und ihre Waren gewinnbringend am Markt zu verkaufen, um unter den Bedingungen der Konkurrenz beste-hen zu bleiben. Nicht böse Absichten oder ihre Gier sind hier auschlaggebend, sondern die ihrer Rolle als Kapitalist*innen entsprechenden Sachzwänge. Die Menschen bringen also, un-abhängig von ihrem persönlichen Willen, durch ihr „rationa-les“ Verhalten jene irrationalen Verhältnisse hervor, die ihnen bereits als gegeben erscheinen. Kapitalist*innen sind zwar nicht von jeder Verantwor- tung freizusprechen, die Kritik greift aber zu kurz, wenn sie moralisch und personalisierend argumentiert und struktu-relle Faktoren völlig ausblendet. Der Kapitalismus bleibt da-bei oft unverstanden. So werden in dualistischer Manier nur die Erscheinungen des Abstrakten (Zirkulationssphäre, Geld, Zins) kritisiert und als „künstlich“ bezeichnet, während das vermeintlich Konkrete (Produktionssphäre, Arbeit) als nicht-kapitalistisch und „natürlich“ verstanden und zugleich posi-tiv besetzt wird, wie Moishe Postone (1979) in seinem öko-nomie- und antisemitismuskritischen Text Nationalsozialismus und Antisemitismus herausarbeitet. Am deutlichsten wurde ein solcher „Antikapitalismus“ im Nationalsozialismus in der ein-seitigen Ablehnung des „raffenden“/„jüdischen“ (Finanz-)Kapitals und der Hochhaltung der „schaffenden“/„arischen“ Arbeit. Dass (abstrakte) Arbeit im Kapitalismus die Grundlage von Geld und Kapital ist und die Produktion von Gebrauchs-


 18 | ZUKUNFT  FALSCHE KAPITALISMUS-KRITIK UND STRUKTURELLER ANTISEMITISMUS  VON SEBASTIAN SCHNEIDER & ISOLDE VOGEL werten (konkrete Arbeit) lediglich als notwendiges Neben-produkt der Kapitalakkumulation fungiert, bleibt unbemerkt. Die Vorstellungen, dass mit der Ablehnung der einen (ver-meintlich abstrakten) Seite des Kapitalismus das System verän-dert oder kritisiert würde, bauen auf einem falschen Verständ-nis des Kapitalismus auf. Eine solche Kapitalismuskritik, die sich lediglich gegen die unverstandenen Aspekte richtet und nicht das System als Ganzes im Blick hat, weist Überschnei-dungen zum antisemitischen Weltbild auf. In diesem Weltbild werden aus der abstrakten Herrschaft eine konkrete Schuld und Verantwortung – im Antisemitismus wird diese dann in Jüdinnen und Juden personifiziert. Die aus den gesellschaftlichen Verhältnissen resultierenden  Unsicherheiten, Ängste und verdrängten Wünsche werden mit der einseitigen Beschuldigung von Einzelpersonen – zum Teil auch in verschwörungsmythischen Erklärungen – beant-wortet. Da sich die Herrschenden nicht mehr so eindeutig identifizieren lassen, führt dies nicht selten zu der Vermutung, die Herrschenden würden versteckt, in Geheimbünden orga-nisiert und im Hintergrund die Fäden ziehen. IV.  STRUKTURANTISEMITISCHE DENKMUSTER    UND NEUE FEINDBILDER Einige Ansätze der auf den beschriebenen falschen An- nahmen basierenden Kapitalismuskritik funktionieren auf eine ähnliche Weise wie der moderne Antisemitismus. Sind die Schuldzuweisungen nun neben der strukturellen und ideolo-gischen Verwandtschaft auch in den genutzten Zuschreibun-gen, Bildern und Mythen ähnlich, wird der zugrundeliegen-de strukturantisemitische Charakter besonders deutlich. Von der Verteufelung über die Bedienung antijüdischer Brunnen-vergiftungsmythen und Weltverschwörungsideen bis zur Mar-kierung des neuen Feindes mit altbekannten antisemitischen Motiven, wie der Darstellung des Blutsaugers, werden (unbe-wusst) antisemitische Muster bedient. Dabei werden dieselben Stereotype wie im modernen  Antisemitismus auf „neue“ vermeintlich Schuldige ange-wandt: (Finanz-)Kapitalist*innen, Bankiers, Manager*innen, aber auch beispielsweise zentrale Figuren von Gesundheits-organisationen werden als geldgierig, hinterlistig und böswil-lig bezeichnet und mit übernatürlicher Macht versehen. Diese Art und Weise, wie hier (durchaus auch mächtige und ver-antwortliche) Einzelpersonen angegriffen werden sowie der Glaube mit dem Angriff auf Einzelne systemische Probleme beheben zu können und ihre Ursachen ausgemacht zu ha- ben ist zu problematisieren – auch wenn die Angegriffenen, im Gegensatz zur offen antisemitischen Anschuldigung, nicht völlig willkürlich im Fokus stehen müssen. Angegriffen wer-den können dabei auch alle Reichen, denen eine absichtli-che Verursachung von Ausbeutungsverhältnissen als eine ih-nen eingeschriebene Wesensart unterstellt wird. Hinter komplexen Macht- und den systembedingt abs- trakten Herrschaftsverhältnissen wird die Verschwörung einer allmächtigen elitären Gruppe vermutet. Der Systemcharakter wird verkannt. So ist die einseitige Kritik am „Finanzkapitalis-mus“ auch deswegen falsch, weil Investitionen auf Kapital- und Finanzmärkten aufgrund der Konkurrenz Zwangscharak-ter haben. Ein Kapitalismus ohne Finanzmärkte ist undenkbar. Der strukturelle Antisemitismus einer solchen Finanzmarkt-kritik lässt sich wohl am deutlichsten mit einem Blick auf den „Antikapitalismus“ des Nationalsozialismus verdeutlichen. Die auch in aktueller Finanzmarktkritik oft vorgenomme-ne moralisierende Trennung von Industrie- und Finanzkapi-tal zeigte sich dort – in extremer Steigerung – in der bereits erwähnten dualistischen Gegenüberstellung vom „schaf-fenden, natürlichen, arischen“ und „raffenden, künstlichen, jüdischen“ Kapital. Dass im Nationalsozialismus Jüdinnen und Juden für die Übel des Kapitalismus und zugleich die Verkör-perung des Kommunismus verantwortlich gemacht wurden, zeigt die Absurdität und Widersprüchlichkeit und gleichzei-tig den Welterklärungsanspruch des Antisemitismus als Ver-schwörungsideologie, die in ihrer extremsten Form, dem na-tionalsozialistischen Vernichtungsantisemitismus, durch die industrielle Ermordung von sechs Million Jüdinnen und Ju-den ihren negativen Höhepunkt erreichte. Wenn als Schuldige nicht Jüdinnen und Juden, sondern  andere Personengruppen ausgemacht werden, wird zwar kein offener Antisemitismus ausgesprochen, jedoch ein strukturell ähnliches Argumentationsmuster – ideologisch auf der glei-chen verschwörungsmythischen, personalisierenden und dua-listischen Weltsicht fußend – bedient. Zu bedenken ist auch, dass gerade in einem der Nachfol- gestaaten des Nationalsozialismus und trotz öffentlicher Sank-tionierung der Sagbarkeit von offenem Antisemitismus nach 1945 antisemitische Welterklärungen nicht aus den Köpfen verschwunden sind. Die latente Äußerung von Antisemitis-mus kann auch unbewusst und mit neuem Angriffsziel auf nichtjüdische Feinde erfolgen, so dass auch strukturantisemi-tisches Denken, tatsächlich abseits des Ziels Jüdinnen und Ju-


 ZUKUNFT | 19  den anzugreifen, als in einer historischen Kontinuität stehend, begriffen werden muss. Neben altbekannten Bildern, die dem Antisemitismus  entlehnt sind, sind nach 1945 auch diverse Chiffren und Codes entstanden, die zur (unbewusst oder bewusst antise-mitischen) Anschuldigung führen. Das ist bei der Umschrei-bung der „Mächtigen von der Wall Street“ oder der „Ostküs-te“ oder den „1 %“, die die Welt beherrschen würden, der Fall – und hier ist auch der Weg zu offen antisemitischen Äu-ßerungen nicht weit. Ideologisch und strukturell auf ähnliche Weise kann sich dies auch komplett vom jüdisch markierten Angriffsziel lösen und auf andere Personen/Personengruppen Anwendung finden. Tauscht man die Namen der als Feinde ausgemachten gegen „die Juden“ aus, wird die antisemitische Veranlagung der Welterklärung offensichtlich. Auch ohne of-fen antisemitisch aufzutreten, werden hier gleiche Bilder und Denkweisen transportiert. Denkweisen, die einer solchen Ka-pitalismuskritik zugrunde liegen, bleiben nicht harmlos, so-lange ihr Gegenstand nicht in Jüdinnen und Juden personali-siert wird. In jedem Fall wird eine Feindschaft artikuliert, die jeder rationalen Grundlage entbehrt und sich früher oder spä-ter gewaltförmig zu entladen droht. Sie muss in all ihren Aus-drucksformen als solche entlarvt und entschieden zurückge-wiesen werden. SEBASTIAN SCHNEIDER studiert Politikwissenschaft an der  Universität Wien und verfasst   derzeit seine Masterarbeit im Bereich rechtsextreme   Verschwörungsideologien und Antisemitismus. ISOLDE VOGEL ist Historikerin in Wien mit Schwerpunkt in den Bereichen der  Shoah-Forschung, (Visuellen) Antisemitismusforschung sowie   Geschichte und Ideologie des Nationalsozialismus und Erinnerungspolitik.  Sie engagiert sich außerdem seit Jahren gegen Antisemitismus,   Rechtsextremismus und Antifeminismus. Literatur Marx, Karl (1867): Das Kapital. Erster Band, MEW 23. Berlin, Dietz. Postone, Moishe (1979): Nationalsozialismus und Antisemitismus. Ein the-oretischer Versuch, in: Krisis. Kritik der Warengesellschaft, online un-ter: http://www.krisis.org/1979/nationalsozialismus-und-antisemitismus (letzter Zugriff: 15.01.2022). Der Text basiert in abgeänderter Form auf einem 2016 in der GEZEIT, der Zeitschrift der Fakultätsvertretung Geisteswissenschaft (GEWI) der Österreichischen Hochschüler:innenschaft (ÖH) an der Universität Wien, erschienenen Artikel und findet sich in dieser älteren Version online unter: https://www.fv-gewi.at/gezeit/archiv/2016/falsche-kapitalismuskritik-und-struktureller-antisemitismus/ (letzter Zugriff: 15.01.2022).


 20 | ZUKUNFT  Efraim Mosche Lilien: Für die Märtyrer von Kischinjow, Titelblatt für den von Maxim Gorki geplanten Sammelband  Sbornik  über Jüdische Literatur, den Pogromopfern gewidmet,  Tusche auf Papier © Jüdisches Museum Wien, Slg. Stern, Inv. Nr. 9432. Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden 


 ZUKUNFT | 21  M. G. Rawitzki: Antisemitisches Plakat auf Leo Trotzki aus der Zeit des Bürgerkriegs,  „Frieden und Freiheit in Sowjetrussland“, 1919  © Ne Boltai! Collection. Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden 


 22 | ZUKUNFT  ISRAEL ALS STREITFALL  VON STEPHAN GRIGAT I. EINLEITUNG Die Ideologie des Antisemitismus, die in der postnazisti- schen Welt ohne bekennende Antisemiten auskommt, ist für einige Linke schon deswegen attraktiv, weil sie sich den An-schein des Rebellischen gibt. Hannah Arendt wusste schon in den 1950er-Jahren, dass es sich bei der Annahme, Anti-semitismus sei ausschließlich ein Phänomen der politischen Rechten, um ein hartnäckiges Vorurteil handelt. Besonders deutlich wird das bei zahlreichen linken Positionierungen ge-genüber Israel. Im Antizionismus der Linken wird jenes binäre, dicho- tomische antiimperialistische Schema, das jahrzehntelang die vorherrschende linksradikale Sicht auf globale Herrschaftsver-hältnisse geprägt hat, auf die Situation im Nahen Osten ange-wendet. Ideologiekritische Ansätze können zeigen, inwiefern der Antisemitismus die Biologisierung und Personalisierung des real Abstrakten kapitalakkumulierender Ökonomie be-treibt. In Anknüpung an solch ein Antisemitismusverständ-nis in der Tradition der Kritischen Theorie können sie auch deutlich machen, inwiefern der Antizionismus in nahezu all seinen Ausprägungen eine geopolitische Reproduktion des Antisemitismus darstellt. Dabei geht es nicht in erster Linie um den Antizionismus vor dem Nationalsozialismus, der sich gerade als linksradikaler mit dem Verweis auf die (vermeintlich) anstehende allgemeine Emanzipation, die auch den Antisemitismus aus der Welt schaffen würde, noch halbwegs legitimieren konnte, sondern um den postnazistischen, dessen Kern es ist, Juden mit welcher Begründung auch immer, das Recht auf einen eigenen Natio- nalstaat selbst noch nach der Shoah, nach dem Scheitern nicht nur des bürgerlichen Gleichheitsversprechens, sondern auch der kommunistischen Emanzipationserwartung zu verwehren. Der Antisemitismus als ökonomische Seite des Judenhasses  konstruiert sich das Bild des „Shylock-Juden“ und spaltet dar-in jene notwendigerweise zum Kapital gehörigen, aber als be-drohlich, unmoralisch, illegitim, volksfremd, zersetzend und zerstörend empfundenen Elemente des ökonomischen Pro-zesses ab. Dieses schon für den vormodernen Antisemitismus charakteristische und in linken Globalisierungsdebatten häu-fig reproduzierte Bild wird in der antizionistischen Propagan-da ergänzt durch das Bild des „Rambo-Juden“, dessen sinn-bildliche Verkörperung der israelische Soldat sein soll. So wie sich der Antisemitismus im Gegensatz zum Rassismus nicht gegen die tatsächlich oder vermeintlich Unterlegenen richtet, sondern gegen die als überlegen Wahrgenommenen, so rich-tet sich der Antizionismus ähnlich wie der Antiamerikanis-mus nicht gegen die Loser-Staaten in der internationalen Kon-kurrenz der Souveräne, sondern gegen jene, denen ihr Erfolg verübelt wird. Schon dadurch kann sich der Antizionismus ganz ähnlich wie der Antiamerikanismus den Schein des Re-bellischen und die Aura moralischer Dignität geben, was ihn für Teile der Linken interessant macht. Wenn von einem spezifisch linken Antisemitismus die  Rede ist, lassen sich fünf Punkte unterscheiden, die in der Li-teratur behandelt werden: Erstens die marxistischen Klassiker, ihr Umgang mit Antisemitismus und ihr Verhältnis zum Ju-dentum;  zweitens die sich auf diese Klassiker berufende tra-ditionelle Arbeiterbewegung, der Realsozialismus des un- Israel als Streitfall Der Beitrag von  STEPHAN GRIGAT  untersucht verschiedene Formen des Antisemitismus in Geschichte und Gegenwart  der österreichischen Linken und arbeitet auf breiter Basis u. a. die mehr als bedenkliche Verbindung von Antiimperialismus und Antizionismus heraus. Antisemitismus und die radikale Linke in Österreich


 ZUKUNFT | 23  tergegangenen Ostblocks, zu dem Teile der österreichischen Linken enge Beziehungen unterhielten, sowie die inzwischen selbst historische Neue Linke; drittens die Affinitäten falscher linker Kapitalismuskritik zu antisemitischen Ressentiments; viertens spezifisch linke Formen der Schuldabwehr – insbeson-dere, aber nicht ausschließlich in den postnazistischen Gesell-schaften; und fünftens das Verhältnis der Linken zum israeli-schen Staat und zum Zionismus. All diese Punkte spielen in der historischen und gegenwärtigen Linken in Österreich, in der die Aufarbeitung des Antisemitismus in den eigenen Rei-hen im Vergleich zu Deutschland mit einer gewissen Verzö-gerung eingesetzt hat, eine Rolle. Seit etwa 20 Jahren ist die Kritik am linken Antisemitismus allerdings auch in Österreich nicht nur Gegenstand innerlinker Debatten, sondern eine eta-blierte Disziplin sowohl der historisch als auch der theoretisch orientierten Antisemitismusforschung geworden: Mittlerwei-le liegen empirische Aufarbeitungen insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses zu Israel vor, und auch theoriegeleitete Kri-tiken bestimmter Ausformungen der Kapitalismuskritik wur-den in Österreich diskutiert bzw. anhand österreichischer Bei-spiele formuliert. II.  HISTORISCHES ERBE AUS    DER ERSTEN REPUBLIK In der Zwischenkriegszeit war der Vorwurf, eine Partei  fungiere als „Judenschutztruppe“, nahezu Allgemeingut und wurde von fast allen politischen Lagern gegen die jeweiligen Konkurrenten erhoben. Als spezifische Form eines sozialis-tischen Antisemitismus kann die Agitation gegen den „rei-chen Juden“, gegen die „jüdische Großbourgeoisie“ und den „jüdischen Kapitalismus“ gelten. In der österreichischen Ar-beiterbewegung der Ersten Republik war man bemüht, den Antisemitismus der Massen zu bedienen, was sich unter an-derem darin äußerte, dass die Personifikationen des Kapitals auf den Plakaten der Wiener Sozialdemokratie nicht selten eine Physiognomie aufwiesen, die Antisemiten für Jüdinnen und Juden reserviert haben. In einer Reihe von sozialistischen Publikationen fanden sich Begriffe wie „Bankjuden“ oder „Börsejuden“, und in der österreichischen Sozialdemokratie der Zwischenkriegszeit erfolgten Rückgriffe auf antisemiti-sche Ressentiments deutlich häufiger als etwa in der SPD der Weimarer Republik. Dass die Rothschilds zeitweise im Zentrum der Kritik der  österreichischen Sozialdemokraten standen, hatte keineswegs nur mit dem realen Einfluss der Bankiersfamilie zu tun, son-dern resultierte aus den mitunter strukturell antisemitischen  Prämissen bestimmter Ausprägungen der Kapitalismuskritik. Der radikale Antisemit Georg von Schönerer, der sich über Jahre mit demagogischen Angriffen gegen die Rothschilds hervortat, konnte sich gewisser Sympathien bei Teilen der So-zialdemokratie erfreuen. Die Agitation der Sozialdemokraten beschränkte sich aber keineswegs darauf, gegen „jüdische Ka-pitalisten“ zu wettern. Es gab ebenso massive Angriffe gegen das orthodoxe Judentum und gegen die mehrheitlich zu den unterprivilegiertesten Schichten gehörenden Jüdinnen und Juden aus Osteuropa. Die 1918 gegründete Kommunistische Partei Österreichs, die  in den 1920er-Jahren im Schatten der austromarxistischen SPÖ vor sich hin dümpelte und sich erst nach der Niederlage der Sozialisten gegen die Austrofaschisten 1934 und der Kapitula-tion der Sozialdemokratie vor dem Nationalsozialismus zu ei-ner Massenpartei entwickelte, unterschied sich in der Ersten Republik diesbezüglich nicht maßgeblich von der SPÖ. Für die 1930er-Jahre wird das Problem des Antisemitismus bei den Anhängern der KPÖ vom ehemaligen Parteivorsitzenden Wal-ter Baier deutlich thematisiert: In seiner Geschichte der KPÖ zitiert er Hilde Koplenig, die Frau des damaligen Vorsitzen-den, mit ihrer Einschätzung eines „latenten Antisemitismus, der wohl in allen unteren Organisationen beider Arbeiterpar-teien herrschte“, und verweist auf die aus Deutschland als Par-teiinstrukteurin nach Wien geschickte Grete Wilde, die eine deutliche Stellungnahme gegen den Antisemitismus forderte, „den sie in der Organisation vorfand“, insbesondere bei den in die Partei strömenden enttäuschten Sozialdemokraten. Bai-er konstatiert, dass der Antisemitismus in der Arbeiterbewe-gung zum einen dem Nationalsozialismus Vorschub leistete, und zum anderen einen Grundstein für anhaltende Konflik-te in der KPÖ legte, der ab 1934 einerseits sozialdemokratische Arbeiter, andererseits jüdische Intellektuelle beitraten. Bezüglich der Agitation gegen den Zionismus hat Olaf  Kistenmacher gezeigt, dass die ressentimenthafte Ablehnung des jüdischen Staatsgründungsprogramms in Teilen der Lin-ken schon lange vor 1948 existierte: Die antizionistischen Po-sitionen, die in der westeuropäischen Linken nach dem Sechs-tagekrieg und in der osteuropäischen Staatslinken nach einer kurzen prozionistischen Phase seit Beginn der 1950er-Jahre vertreten wurden, mussten „nicht erst 1967 oder nach 1945 erfunden werden.“ Kistenmacher legt anhand der Roten Fah-ne der Kommunistischen Partei Deutschlands dar, dass die Annah-me, der linke Antizionismus habe erst nach 1945 seine antise-mitische Aufladung erhalten, nicht haltbar ist. Die Bewertung 


 24 | ZUKUNFT  des Zionismus durch die KPD „nach ganz anderen Maßstä-ben als andere nationale Bewegungen“ muss als Vorläufer der „späteren Dämonisierung und Delegitimierung Israels“ be-griffen werden. Selbst die Gleichsetzung des Zionismus mit dem Nationalsozialismus wurde von der KPD bereits Anfang der 1930er-Jahre praktiziert. Betrachtet man die Rote Fahne in Österreich, die als Zent- ralorgan der Kommunistischen Partei Oesterreichs erschien, fällt das Urteil nicht ganz so deutlich aus, weil hier der Zionismus zu-mindest nicht als „faschistisch“ qualifiziert wurde. Dennoch finden sich auch bei der KPÖ in der Ersten Republik Äuße-rungen zum Zionismus, die deutlich über die gängige, wenn auch häufig selektive linke Kritik am Nationalismus hinaus-gingen. 1925 diffamierte die KPÖ den Zionistenkongress in Wien als „Kongreß der englischen Fremdenlegionäre“. Als es 1929 zu pogromartigen Ausschreitungen gegen Jüdinnen und Juden im Mandatsgebiet Palästina mit zahlreichen Toten kam, wurden Hinweise auf die antisemitisch motivierten Morde als „niederträchtigste Geschichtsfälschung, die überhaupt denk-bar ist“ bezeichnet, und der Zionismus auf der Titelseite der Roten Fahne als „künstlich aufgezogene jüdische Nationalbe-wegung“ attackiert. Diesem wurde der scheinbar naturwüch-sige und schon deshalb zu unterstützende arabische Nati-onalismus entgegengestellt, dem ein „antiimperialistischer Charakter“ attestiert wurde. Diese Entgegensetzung eines als verwerflich charakterisierten „künstlichen“ jüdischen Staats-gründungsprogramms einerseits und eines positiv konnotier-ten, scheinbar organischen Staatsprojekts andererseits, teilt der linke antisemitische Antizionismus bis in die Gegenwart mit dem panarabischen, dem nationalsozialistischen und dem isla-mistischen Antizionismus. III.  KONTINUITÄT UND TRANSFORMATION    IM POSTNAZISMUS Nach ihrer zentralen Rolle im Widerstand gegen die Na- zis vereinte die KPÖ 1945 über 100.000 Mitglieder, gehörte zu den Mitbegründerinnen der Zweiten Republik und war zeit-weilig in der Regierung sowie bis 1959 im Nationalrat vertre-ten. Auch wenn der Antisemitismus in allen anderen österrei-chischen Parteien bedeutend stärker verbreitet war, agierten bereits in der Nachkriegszeit auch KPÖ-Funktionäre in einer Art, die Antisemitismus ignorierte, antisemitische Ressenti-ments in der österreichischen Bevölkerung forcierte und zum Teil selbst als antisemitisch bezeichnet werden muss. 1947 kam es in Bad Ischl wegen einer Streichung der  Milchration für Kinder zu einer Demonstration, die sich nicht gegen die für diese Maßnahme Verantwortlichen rich-tete, sondern gegen die in der Stadt untergebrachten jüdi-schen displaced persons. In Braunau fanden von Kommunisten angeführte Hungerdemonstrationen statt, auf denen gefordert wurde, die jüdischen DPs aus dem Lager Ranshofen zu depor-tieren. Kurze Zeit später zerstörten unbekannte Täter die im DP-Lager befindliche Synagoge. Im Verlauf der Demonstrati-on in Bad Ischl, an der auch ortsbekannte Nazis teilnahmen, zog eine von KP-Funktionären aufgepeitschte Menge zur Un-terbringung jüdischer DPs und skandierte dort Parolen wie „Schlagt die Juden tot!“. Wenige Tage danach wurden sechs Personen verhaftet und zu hohen Strafen verurteilt, die später deutlich herabgesetzt wurden. Während der Unterstützungs-kampagne für die Verhafteten bestärkte die KPÖ das ohnehin in der Bevölkerung vorhandene Bild von den jüdischen DPs als „Schleichhändler“, deren Vergehen nicht geahndet, son-dern mit zusätzlichen Privilegien belohnt würden. Obwohl die jüdischen DPs nicht mit österreichischen Steuergeldern, sondern von den US-Alliierten finanziert wurden, stellte die damals als Tageszeitung der KPÖ erscheinende Volksstimme Be-rechnungen an, die den Österreicher*innen aus der Nazi-Zeit bekannt vorgekommen sein müssen: „600.000 DP kosten uns über 100 Millionen Schilling“, „460 Tageskalorien des Arbei-ters essen die DP.“ In der Kampagne gegen die strafrechtliche Verfolgung der kommunistischen Einpeitscher*innen mobili-sierte die KPÖ zentrale Elemente eines Schuldabwehrantisemi-tismus, der nach 1945 auch in Teilen der SPÖ existierte: Innen-minister Oskar Helmer beschuldigte „österreichische Juden“, sie würden „Propaganda gegen Österreich“ betreiben, ge-gen die man sich „zur Wehr setzen“ müsse; Bundespräsident Theodor Körner sah es 1947 als seine Aufgabe, dem „Mär-chen vom Antisemitismus“ entgegenzutreten, qualifizierte Berichte über antisemitische Angriffe als „Schauergeschich-ten“ und sprach von „Brunnenvergiftung“ und „Rufmord an der Heimat“. Auf Grund ihres engen Verhältnisses zur KPdSU begriff  es die KPÖ in den 1950er-Jahren als ihre Pflicht, der antizi-onistischen Propaganda in der Sowjetunion und in den an-deren Ostblockstaaten zu bescheinigen, dass diese nichts mit Antisemitismus zu tun habe. Selbst noch die antisemitischen Schauprozesse in den 1950er-Jahren wurden legitimiert. In der Volksstimme und im Theorieorgan Weg und Ziel wurde das Vorgehen im Slánský-Prozess in der Tschechoslowakei vertei-digt. Auch der Ärzte-Prozess in der Sowjetunion wurde ge- ISRAEL ALS STREITFALL  VON STEPHAN GRIGAT


 ZUKUNFT | 25  rechtfertigt. Die Volksstimme konnte in den Angeklagten kei-ne Opfer einer antisemitischen Kampagne erkennen, sondern erblickte in den Ärzten die Inkarnation des Bösen: „Bestien in Menschengestalt“. Die Schauprozesse im Realsozialismus waren von vorn- herein als antisemitische Tribunale konzipiert. Der ehemalige KPÖ-Vorsitzende Baier hat die Konsequenz des Leugnens des Antisemitismus bei der stalinistischen Gleichschaltung Osteu-ropas seitens seiner Partei in einem wenig bekannten Bereich herausgearbeitet: 1946 gewann die KPÖ die Wahlen zur Vertre-tung der Israelitischen Kultusgemeinde, und der Kommunist David Brill wurde ihr erster Präsident. Durch ihre Leugnung des stalinistischen Antisemitismus verlor die Partei jedoch in kurzer Zeit „in der jüdischen Öffentlichkeit einen großen Teil der Autorität, die sie sich im Widerstand und nach der Befrei-ung erworben hatte“. Als 1968 Aktionen gegen Jüdinnen und Juden in Polen be- gannen, gab es innerhalb der KPÖ Diskussionen über eine an-gemessene Reaktion. Mit über einem Jahr Verspätung führten diese zu einer Erklärung, in der Besorgnis über die Ereignis-se zum Ausdruck gebracht, der Antisemitismus in der eigenen Partei thematisiert und neben dem Nationalismus Israels auch jener der Araber verurteilt wurde. Zuvor jedoch veröffentlich-te die Volksstimme die Rechtfertigungsversuche der polnischen KP-Führung für ihr Vorgehen gegen Jüdinnen und Juden. IV.  1968 UND NEUE LINKE Parteimitglieder, die Kritik am Antisemitismus im Realso- zialismus und in der eigenen Partei formulierten, traten später größtenteils aus der KPÖ aus oder wurden ausgeschlossen. Seit 1968 forcierte die KPÖ ihre Kritik an Israel, und durch ihre enge Kooperation mit den Ostblock-Staaten hatte sie Anteil am Krieg und Terror gegen den jüdischen Staat, die in den 1970er- und 1980er-Jahren von den arabischen Staaten mit massiver Unterstützung der Sowjetunion und ihrer Satelliten-staaten betrieben wurden. Zunehmend wichtig wurde in dieser Zeit der Antizionis- mus von Gruppierungen der Neuen Linken, die weitgehend aus der Studierendenbewegung der 1960er-Jahre entstanden. Im Vergleich zur bundesdeutschen Entwicklung kann in Ös-terreich von einer Verzögerung der Transformation zu einem hegemonialen Antizionismus in der Linken nach dem Sechs-tagekrieg gesprochen werden, die in den 1970er-Jahren aber dennoch stattfand. Bezüglich Österreich von „den 68ern“ zu sprechen, ist  eine Übertreibung. Während deutsche Student*innen und Lehrlinge eine weltweit wahrnehmbare Bewegung konstitu-ierten, wurden die Proteste, die Ende der 1960er-Jahre von den österreichischen Universitäten ausgingen, treffend als „zahme Revolution“ oder „heiße Viertelstunde“ charakteri-siert. Dieser Unterschied resultiert aus den ungleichen Ent-wicklungen der postnazistischen Gesellschaften in Deutsch-land und Österreich. In Deutschland erzwang die Reeducation zumindest eine  oberflächliche Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen. Sie vermittelte ein westlich-demokratisches Ideal, an dem die Pro-testbewegung der 1960er-Jahre die Realität sowohl der bundes-republikanischen Gesellschaft als auch der US-amerikanischen Außen- und Innenpolitik messen konnte. Das fast vollständige Fehlen solch einer Reeducation erschwerte in Österreich die He-rausbildung einer breiten Bewegung, die sich einerseits an den Idealen der US-amerikanischen demokratischen Siegermacht orientieren und andererseits diese Ideale kritisch gegen die Po-litik der USA in den 1960er-Jahren hätte richten können. Dennoch lassen sich Ähnlichkeiten in der Entwicklung  der deutschen und österreichischen Linken aufzeigen. Auch in Österreich forcierte die Linke seit 1967 ihre Kritik an Isra-el, während die Kritik am Antisemitismus, die in den frühen 1960er-Jahren noch ein zentrales Motiv für die sich politisie-renden Studierenden gewesen war, nur mehr eine unterge-ordnete Rolle spielte. Zugleich etablierte sich eine Form des Antiamerikanismus, die für die postnazistischen Gesellschaf-ten charakteristisch ist: Die Kritik an den USA wurde mittels ihrer Gleichsetzung mit dem Nationalsozialismus betrieben, etwa 1972 beim Besuch Richard Nixons in Salzburg, bei dem eines der bekanntesten Bilder der österreichischen Protestge-schichte entstand: Günther Nenning, Peter Kreisky und ande-re prominente 68er halten Plakate, auf denen steht: „Schreib-tisch-Mörder zu Gast: Nixon“, wobei das „x“ als großes Hakenkreuz gezeichnet war. Anfang der 1970er-Jahre sah die KPÖ nicht nur die Staaten  des Realsozialismus Angriffen durch eine scheinbar weltum-spannende zionistische Lobby ausgesetzt, sondern erblickte, passend zu ihrer nationalen Orientierung, auch in Österreich das „Opfer einer zionistischen Kampagne“. Den Anlass dafür bot die internationale Kritik an der Entscheidung der öster-reichischen Bundesregierung, das Durchgangslager für sowje-tische Jüdinnen und Juden in Schönau zu schließen. 


 26 | ZUKUNFT  ISRAEL ALS STREITFALL  VON STEPHAN GRIGAT Österreich hatte der Jewish Agency Transitlager zur Verfü- gung gestellt, über die zehntausende Jüdinnen und Juden aus der Sowjetunion nach Israel ausreisen konnten. 1973 nahmen zwei Mitglieder der pro-syrischen Gruppe Adler der palästinen-sischen Revolution drei jüdische Emigranten und einen Zöllner in Österreich als Geiseln und forderten die Beendigung der Einwanderung osteuropäischer Jüdinnen und Juden nach Isra-el. Nach Verhandlungen mit der Kreisky-Administration ka-men die Geiseln frei. Die Gegenleistung der österreichischen Regierung bestand in der Schließung des Durchgangslagers Schönau, was die KPÖ als das Ende einer „zionistischen Men-schenschmugglerzentrale“ begrüßte. Der maoistische Kom-munistische Bund Wien feierte die Erschwerung der jüdischen Emigration zwar als Etappensieg, stieß sich aber an der angeb-lich fortbestehenden „protozionistischen Haltung der öster-reichischen Regierung“. (Tatsächlich hat die Kreisky-Regie-rung schnell Ersatz für das Transitlager geschaffen.) Aus der 68er-Bewegung ist auch in Österreich in den  1970er-Jahren ein linkes und linksradikales Milieu entstan-den, dem zahlreiche der heute einflussreichen Meinungsma-cher der Republik entstammen, die ein mindestens problema-tisches Verhältnis zu Israel und den USA haben – beispielsweise Georg Hoffmann-Ostenhof, der langjährige Außenpolitik-chef des Nachrichtenmagazins profil, der sich durch Verharm-losungen des iranischen Antisemitismus hervortut, oder Peter Pilz, langjähriger Spitzenpolitiker der Grünen, der 2014 der israelischen Regierung „Massenmord an der palästinensischen Zivilbevölkerung“ vorwarf und „Sanktionen“ gegen den jüdi-schen Staat forderte. Die aus der österreichischen 68er-Bewegung hervorge- gangenen K-Gruppen betrieben eine aggressive Hetze gegen Israel. Der Kommunistische Bund schrieb 1973 in Bezug auf Is-rael: „Dieser Staat ist aggressiv und expansionistisch, er be-ruht auf Rassenhaß“. Der KB betrieb eine spezifische Form linker Vergangenheitsbewältigung und behauptete, durch die israelische Repression würden „die gleichen Praktiken von den zionistischen Machthabern gegen das palästinensische Volk“ angewendet, wie sie die Nazis gegen die Juden ange-wendet haben. Den Beweis für die Existenz von israelischen Lagern, in denen eine bürokratisch organisierte und indus-triell betriebene Massenvernichtung von Menschen stattfin-det, blieben sie verständlicherweise schuldig. John Bunzl, in den 1990er- und 2000er-Jahren einer der meistinterviewten Nahostexperten in Österreich, erklärte 1973 die Position der trotzkistischen Gruppe Revolutionärer Marxisten, der auch Pilz  und Hoffmann-Ostenhof angehörten. Es gehe um die „Be-seitigung des Zionismus, des zionistischen Staates, der zio-nistischen Strukturen.“ Dass der Weg von der 68er-Revolte hin zur Hetze gegen die USA und Israel kein zwangsläufiger war, zeigen der Schriftsteller Robert Schindel, der nach seiner Zeit im KB mehrfach den Antizionismus seiner Ex-Genossen scharf attackiert und regelmäßig mit pro-israelischen Linken kooperiert hat, oder die Filmemacherin Ruth Beckermann, die sich schon 1982 bei Demonstrationen gegen den Liban-onkrieg gegen Parolen wie „Nazis raus aus dem Libanon“ ge-wehrt hat. Bunzl hingegen fordert heute die Einbeziehung der offen antisemitischen Hamas in Friedensgespräche, ver-harmlost den islamischen Antisemitismus als Ausdruck legiti-mer Israelkritik, gibt Medien des iranischen Regimes bereit-willig Interviews und schreibt Solidaritätserklärungen für die Antiimperialistische Koordination (AIK), wenn dieser Antisemitis-mus vorgeworfen wird. V.  ISRAEL-DISKUSSIONEN SEIT DER    ZWEITEN INTIFADA Die AIK ist in Österreich seit zwei Jahrzehnten die aggres- sivste Vertreterin eines Antiimperialismus, der explizit das Bündnis zwischen linken und dschihadistischen Kräften an-strebt. 2006 plakatierte sie das Konterfei von Hassan Nasrallah in Wien. Sie ruft zur Unterstützung von Hamas und Hisbol-lah auf, unterstützte den „irakischen Widerstand“ und wird von der im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands beheimateten Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich als antisemitisch eingestuft. In den letzten Jahren haben Aktivis-ten der AIK am Quds-Marsch in Wien teilgenommen, bei dem jährlich zum Ende des Ramadan Anhänger des iranischen Regimes und der Hisbollah für die Vernichtung Israels de-monstrieren. Führende Kader der AIK sind bei Kundgebungen des Quds-Marschs als Redner aufgetreten. In den 2000er-Jahren wurde ein radikaler Antizionis- mus neben der AIK von weiteren sich selbst als „antiimperia- DIE EINSAMKEIT ISRAELS:ZIONISMUS, DIE ISRAELISCHE LINKE UND DIE IRANISCHE BEDROHUNGVON STEPHAN GRIGAT   HAMBURG: KONKRET TEXTE  184 SEITEN | € 19,00  ISBN: 978-3930786732  ERSCHEINUNGSTERMIN: OKTOBER 2014


 ZUKUNFT | 27  listisch“ begreifenden Kleingruppen vertreten, beispielsweise der trotzkistischen Linkswende oder dem trotzkistischen Arbei-terInnenstandpunkt, der seit 2007 unter dem Namen Liga der so-zialistischen Revolution firmierte. Aus letzterer ging die bis heu-te aktive Revolutionär-Kommunistische Organisation zur Befreiung hervor, auf deren Kundgebungen ganz offen die Auslöschung und Zerstörung Israels gefordert wird. Sowohl die AIK als auch die  RKOB solidarisierten sich mit Mohamed Mahmoud, der später als IS-Terrorist mörderische Berühmtheit erlangte. Der-artige Positionen stoßen bei anderen Gruppierungen wie der Sozialistischen Linkspartei oder der Revolutionär Sozialistischen Organisation zwar auf Kritik, dennoch teilen all diese Gruppie-rungen den antizionistischen Konsens des Trotzkismus. In den 2000er-Jahren kam es in Wien zu gewalttätigen  Übergriffen auf pro-israelische Linke: 2001 versuchten antizi-onistische Linke, eine proisraelische Diskussionsveranstaltung an der Universität zu sprengen, 2005 kam es zu einem gewalt-samen Angriff auf eine von pro-israelischen Linken organi-sierte Diskussionsveranstaltung, bei der über den Antisemi-tismus des iranischen Regimes hätte diskutiert werden sollen. An dem Angriff waren Aktivist*innen fast aller sich als „an-tiimperialistisch“ verstehenden Gruppierungen der Wiener Linken beteiligt. Ein damals führender Kader des ArbeiterIn-nenstandpunkt wurde in der Folge wegen Körperverletzung verurteilt. Auch in den letzten Jahren kam es zu Auseinan-dersetzungen zwischen pro- und antiisraelischen Linken, bei-spielsweise bei einer Anti-Abschiebungsdemonstration im November 2016 in Wien. Bereits 2003 war es zu einem versuchten Angriff eines teil- weise mit Palästinensertüchern vermummten, von der Grup-pe  Sedunia angeführten Mobs auf eine Gedenkkundgebung zum 9. November gekommen, die von der Israelitischen Kul-tusgemeinde in enger Kooperation mit pro-israelischen Lin-ken vor der ehemaligen Synagoge in der Wiener Zirkus-gasse veranstaltet wurde. Aus der Gruppe Sedunia ging laut dem  DÖw die Organisation Dar al Janub hervor. Das ist in-sofern relevant, als Aktivist*innen von Dar al Janub, die als Protagonist*innen eines postkolonialen Antirassismus auftre-ten, heute zentrale Akteur*innen des österreichischen Zweigs der Israelboykott-Bewegung BDS sind. Es stimmt, dass es sich bei den offen antiisraelischen Or- ganisationen der österreichischen Linken um Splittergruppen handelt. Ihre Relevanz und ihre partielle Gefährlichkeit re-sultieren aus ihren sowohl nationalen als auch internationalen  Kooperationen. Die AIK ist mit zahlreichen „bewaffnet kämp-fenden“ antiimperialistischen Gruppierungen rund um den Globus vernetzt. Die Linkswende ist Teil der International Soci-alist Tendency, zu der in Deutschland die Gruppe Linksruck ge-hört, die seit 2007 als marx21 fungiert und über die Parteiströ-mung Sozialistische Linke mit einem klassischen Konzept des Entrismus massiv Einfluss auf die Partei Die Linke nimmt: Die 2021 gewählte Co-Vorsitzende Janine Wissler stammt ebenso aus der Gruppierung wie das Bundesvorstandsmitglied Chris-tine Buchholz, die für Die Linke im Verteidigungsausschuss des Bundestags saß und sich 2006 auf der Seite der Hisbollah verortet hat. VI.  ANTIIMPERIALISMUS ALS ANTISEMITISMUS In Österreich kooperieren antiimperialistische Linke vor  allem mit Gruppierungen des politischen Islam, was zu ei-ner beachtlichen Mobilisierungskraft führen kann: 2010 bis 2014 fanden in Wien antiisraelische Demonstrationen mit bis zu 30.000 Teilnehmer*innen statt, zu denen linke antiimpe-rialistische Gruppen, islamische Organisationen und türkische Nationalisten teils gemeinsam aufriefen, und die auch von Sozialdemokrat*innen unterstützt wurden. Auf der Demons-tration nach den Vorfällen rund um die Hamas-Solidaritäts-flotte 2010 peitschte der SPÖ-Gemeinderat Omar Al-Rawi die Menge weiter auf und versicherte, man werde den Kampf der auf der Mavi Marmara Getöteten fortführen. Auch Sozialdemokraten wie Fritz Edlinger, Vorsitzender  der Österreichisch-Arabischen Gesellschaft und neben Ex-In-nenminister Karl Blecha seit Jahrzehnten eine der lautesten antiisraelischen Stimmen in der SPÖ, spielen weiterhin eine Rolle in der Partei: So konnte Edlinger, der schon in den 1980er-Jahren als Vorsitzender der Jungen Generation durch At-tacken auf Israel und die Israelitische Kultusgemeinde aufge-fallen war, und der im Promedia-Verlag eine Hetzschrift he-rausgegeben hat, deren französische Ausgabe auf Grund ihres offenen Antisemitismus verboten wurde, seine neueste An-ti-Israel-Anthologie 2018 im parteieigenen Renner-Institut präsentieren. Blecha und der spätere Außenminister Erwin Lanc wa- ren in der insbesondere vom linken Parteiflügel unterstütz-ten Algerien-Solidarität der 1950er- und 60er-Jahre aktiv. Blecha bezeichnet die (nahezu kritiklose) Unterstützung des Front de Libération Nationale (FLN) als „Trägerrakete des An-tiimperialismus“. In der Tat hat die frühe und vom rechten SPÖ-Flügel kritisierte Ignoranz gegenüber dem Antisemitis-


 28 | ZUKUNFT  ISRAEL ALS STREITFALL  VON STEPHAN GRIGAT mus in arabisch-antikolonialen Bewegungen den Grundstein für die Nahostpolitik Kreiskys gelegt oder den Besuch von Lanc beim Khomeini-Regime als erster westlicher Außenmi-nister 1984 ermöglicht. Dass der Rückgriff auf antisemitische Klischees bei der  Betrachtung des Nahost-Konflikts in der SPÖ kein Problem vergangener Jahrzehnte ist, demonstrierte 2014 Bundespräsi-dent Heinz Fischer, als er mit Verweis auf den „alttestamen-tarischen Grundsatz Auge um Auge“ und einer angeblichen Radikalisierung dieses Grundsatzes durch das israelische Vor-gehen gegen Terrorgruppen wie die Hamas im Gaza-Streifen meinte, etwas zur Diskussion über den Nahen Osten beitra-gen zu können. Zentraler Protagonist eines linken Antizionismus in Ös- terreich ist heute die 2014 gegründete österreichische Sektion der internationalen Boykottkampagne BDS, die seit 2015 jähr-lich eine Israel Apartheid Week durchführt und jedes nur er-denkliche Kriterium eines israelbezogenen Antisemitismus er-füllt. Auch bei der BDS-Bewegung ist wichtig zu betonen, dass die österreichische Sektion alleine kaum Relevanz hat und ihre Bedeutung durch ihr Agieren als Bestandteil einer global angelegten Kampagne erhält. VII. PROZIONISMUS IN DER LINKEN Gerade an der BDS-Bewegung zeigt sich, dass der Hass auf  Israel in der österreichischen Linken keineswegs hegemonial ist. Spätestens seit der Zweiten Intifada hat auch in der öster-reichischen Linken eine Auseinandersetzung über Antisemi-tismus, Zionismus und Israel eingesetzt, die zu einem Aus-differenzierungsprozess geführt hat – und so existiert heute in Österreich nicht nur die BDS-Kampagne, sondern auch das gegen  BDS gerichtete Bündnis Boycott Antisemitism, dem ne-ben jüdischen Organisationen linke oder aus der Linken stam-mende Gruppierungen angehören. Neben den Free Gaza-Pa-rolen auf den einschlägigen Demonstrationen existiert auch das aus linken Gruppierungen hervorgegangene Bündnis Free Gaza from Hamas. Die Proteste gegen den jährlich in Wien stattfindenden  Quds-Marsch von Anhänger*innen des irani-schen Regimes und der Hisbollah werden unter anderem von linken Gruppierungen organisiert, und 2017 waren es maß-geblich Aktivist*innen der Autonomen Antifa, die den Quds-Marsch auf der Wiener Burggasse erfolgreich blockierten. Auch im Mai 2021 waren es angesichts der erneuten Eska-lation des Raketenterrors aus Gaza durch die vom iranischen Regime aufgerüsteten Gruppen Hamas und Islamischer Jihad  vor allem linke Gruppen, die gemeinsam mit den Jüdischen Österreichischen Hochschüler:innen in Wien unter dem Titel „Gegen jeden Antisemitismus“ eine Kundgebung gegen die obligatorischen antiisraelischen Aufmärsche veranstalteten, bei denen erneut die AIK und BDS Austria eine führende Rolle spielten. Im Vergleich zu ähnlichen Kundgebungen während der Gaza-Kriege 2009, 2012 und 2014 war auffällig, dass im Aufruf zwar der Antisemitismus auf den antiisraelischen Demonstrationen thematisiert, aber nicht explizit „Solidarität mit Israel“ gefordert wurde – was intern zu scharfer Kritik von jenen proisraelischen Linken geführt hat, die in den letzten zwei Dekaden maßgeblich an der Stärkung prozionistischer Positionen in der österreichischen Linken beteiligt waren. 1994 zog Charlotte Kohn-Ley aus ihrer Beschäftigung mit  dem Antisemitismus in der linken Frauenbewegung noch das bittere Fazit: „Es ist für eine jüdische Frau unmöglich, sich ohne Selbstverleugnung feministischen Gruppierungen in Deutschland und Österreich anzuschließen.“  Doch auch im linken Feminismus in Österreich ist es zu  einer Ausdifferenzierung gekommen: Einerseits west der di-chotomische Antiimperialismus mit seinen antizionistischen Implikationen in Teilen der autonomen Frauenbewegung fort, andererseits existieren mittlerweile theoretische Versu-che, auch die Kritik an israelbezogenem Antisemitismus in ein feministisches Konzept einer „Intersektionalität von Ideologi-en“ zu integrieren und die antizionistische Schlagseite anderer intersektionaler Ansätze in den Fokus der Kritik zu rücken. In den 2000er-Jahren wurde die Kritik am linken Antizio- nismus maßgeblich von der Gruppe Café Critique initiiert und betrieben, an der auch der Autor dieses Beitrags beteiligt war. In dem Versuch einer Darstellung der Geschichte sozialer Be-wegungen in Österreich von Robert Foltin wird dieser Kritik „eine zentrale Rolle beim Zerfall des radikalen, antistaatlichen Flügels der neuen Protestbewegungen“ attestiert; sie würde auch „den Mainstream der Protestbewegungen“ beeinflussen.  Dass diese Kritik tatsächlich nicht gänzlich auf fruchtlosen  Boden gefallen ist, zeigt sich beispielsweise daran, dass 2017 ein Beschluss der offiziellen Studierendenvertretung der Uni-versität Wien, der unter dem Titel Gegen jeden Antisemitismus die BDS-Kampagne ins Visier nimmt, von den linken Frakti-onen Verband Sozialistischer Student_innen, Grüne & Alternati-ve Student_innen und Kommunistischer StudentInnenverband-Lin-ke Liste eingebracht und verabschiedet wurde.


 ZUKUNFT | 29  Wie notwendig dieser Beschluss war, zeigte sich zu- letzt im Sommer 2020, als BDS Austria den Jüdischen öster-reichischen Hochschüler:innen „Rassismus“ vorwarf und sie mit den rechtsradikalen türkischen Grauen Wölfen verglich. An-hänger der BDS-Kampagne störten in Wien die Rede einer JöH-Vertreterin bei einer Kundgebung zum Gedenken an die Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau, marschier-ten mit Palästinaflaggen direkt vor der Kundgebungsbühne auf und erhoben erneut Rassismus-Vorwürfe – was eine deutli-che Stellungnahme des aus der JöH stammenden Präsidenten der European Union of Jewish Students nach sich zog:  „Seit Jahren versucht BDS, linke Strukturen zu unterwan- dern, und schreckt nicht davor zurück, Gedenkveranstal-tungen zu missbrauchen …  Wer – wie BDS – jüdische Or-ganisationen mit faschistischen Organisationen vergleicht und versucht, jüdische Vertreter von antirassistischen Kundgebun-gen auszuschließen, ist antisemitisch.“ Beim linken Antizionismus wäre es heute wichtig, Ver- schiebungen bei den theoretischen Bezügen in den Blick zu nehmen. Während in den Jahrzehnten des Kalten Krieges ein auf den Marxismus-Leninismus rekurrierender „Befreiungs-nationalismus“ der zentrale Bezugspunkt war, haben sich in den letzten zwei Dekaden ein abstrakter Antinationalismus und ein unhistorischer Universalismus zur maßgeblichen Le-gitimation des Antizionismus entwickelt. Die Verschiebung hin zu poststrukturalistischen und postkolonialen Ansätzen in der akademischen Linken hat sich zuletzt in der Debatte über Achille Mbembe gezeigt, die auch im österreichischen Feuilleton aufgegriffen wurde, allerdings ohne sich auf die gravierenden Vorwürfe gegenüber Mbembe ernsthaft einzu-lassen. In den Schriften des postkolonialen Starautors finden sich nicht nur eine jeder Realität im Nahen Osten spottende Dämonisierung und Delegitimierung Israels, dessen „globa-le Isolation“ Mbembe fordert, sondern auch Formulierungen, die sich des Fundus des klassischen christlichen Antisemitis-mus bedienen. Doch auch hier ist bemerkenswert, dass die deutlichste Kritik an Mbembes Auslassungen in der österrei-chischen Zeitschrift sans phrase erschienen ist, die sich expli-zit auf die Kritik der politischen Ökonomie und die Kritische Theorie, also auf linke Theorietraditionen beruft. VIII. AUSBLICK In der Mbembe-Debatte wurde deutlich, wie wichtig  eine  Arbeitsdefinition für Antisemitismus wie jene der Interna-tional Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) insbesondere für  Diskussionen über linke Argumentationen ist, da sie explizit Formen des israelbezogenen Antisemitismus anführt. Die ge-gen die IHRA-Definition gerichtete, im März 2021 veröffent-lichte Jerusalem Declaration on Antisemitism hingegen, die von Nachrichtenagenturen des iranischen Regimes freudig be-grüßt und auch von linksorientierten Akademiker*innen in Österreich unterzeichnet wurde, zielt auf die Legitimierung des linken Antizionismus sowie die Exkulpierung der BDS-Kampagne und anderer antiisraelischer Organisationen vom Antisemitismusvorwurf. So sehr im akademischen Kontext gerade vor dem Hin- tergrund einer Kritischen Theorie der Gesellschaft und des An-tisemitismus die Darstellung eines Gegenstandes durch sei-ne ideologiekritische Durchdringung einer festgezurrten und notwendigerweise komplexitätsreduzierenden Definition vor-zuziehen wäre, so notwendig ist eine Arbeitsdefinition wie jene von IHRA, um antisemitismuskritische Standards insbe-sondere hinsichtlich des israelbezogenen Antisemitismus fest-zulegen. Diese werden auch für die weitere Diskussion über das Verhältnis der österreichischen Linken zu Israel notwendig sein, und diese Diskussion wird voraussichtlich weiterhin als Ferment beim Ausdifferenzierungsprozess der Linken in Ös-terreich fungieren. (Eine Langfassung dieses Beitrags mit zahlreichen Literaturhinweisen erscheint in Grimm, Marc/Hainzl, Christina (Hg.) (2022): Antisemitismus in Österreich nach 1945, Leipzig: Hentrich & Hentrich) STEPHAN GRIGAT ist Dozent für Politikwissenschaft an der  Universität Wien und der  Universität Passau, Research Fellow an der Universität Haifa und hat zur  Marxschen Fetischkritik und ihrer Rezeption im 20. Jahrhundert promo- viert. Er ist u. v. a. Autor von  Die Einsamkeit Israels. Zionismus, die isra- elische Linke und die iranische Bedrohung (Konkret 2014) und Heraus- geber von  Iran – Israel – Deutschland: Antisemitismus, Außenhandel &  Atomprogramm (Hentrich & Hentrich 2017). ANTISEMITISMUS IN ÖSTERREICH NACH 1945HG. VON MARC GRIMM UND CHRISTINA HAINZL   LEIPZIG: HENTRICH & HENTRICH  364 SEITEN | € 24,90  ISBN: 978-3-95565-469-6  ERSCHEINUNGSTERMIN:   (VORAUSSICHTLICH) MÄRZ 2022


 30 | ZUKUNFT  Propagandaplakat gegen Antisemitismus, „Wer ist Antisemit?“, Sowjetunion, 1020er-Jahre, Reprint 1970er-Jahre  © Jüdisches Museum Wien, Slg. JMW, Inv. Nr. 25461. Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden 


 ZUKUNFT | 31  V. M. Sawwin: Jiddisches Plakat auf Stalin, „Die Erfüllung der Kollektivierung ist der Triumph der Lenin’schen Lehre“, 1933   © Ne Boltai! Collection. Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden 


 32 | ZUKUNFT  I. EINLEITUNG Die fast zwei Jahre andauernde Debatte, die oftmals His- torikerstreit 2.0 genannt wird, ist, auch wenn der Name ande-res vermuten lässt, keine akademische Auseinandersetzung um geschichtswissenschaftliche Fragen. Vielmehr handelt es sich, wie auch bereits beim namensgebenden Historikerstreit 1.0 der 1980er-Jahre, um eine größtenteils geschichtspolitische Aus-einandersetzung über die erinnerungskulturelle Ausrichtung der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf die Erinnerung an Nationalsozialismus und Holocaust. Die Ausgangslage ist heute grob die folgende: Bereits seit  vielen Jahren mehren sich in Deutschland Stimmen, die eine stärkere Auseinandersetzung mit der Geschichte des europä-ischen und speziell deutschen Kolonialismus einfordern. Zu lange sei diese ignoriert, trivialisiert und relativiert, als legi-time Praxis verteidigt und verklärt worden. Dafür werden verschiedene Gründe ausgemacht: Die Kontinuität kolonial-rassistischer Denkweisen beispielsweise, die sich im Bewusst-sein vieler Menschen bewusst oder unbewusst dahingehend verwirklichen, dass das historische Unrecht des Kolonialis-mus nicht als solches erkannt werde. Oder ein eurozentrisches Denken, das alles, was sich außerhalb des Raums Europa be-findet oder geschieht, nicht als relevanten Teil der Weltge-schichte anerkenne. II.  VON DER SINGULARITÄT DES HOLOCAUST Zunächst ist dem kritischen Vorwurf, dass die Aufarbei- tung der deutschen Kolonialgeschichte in der öffentlichen  Wahrnehmung und der Wissenschaft nur schleppend voran-ging und erst mit großem zeitlichem Abstand erfolgte, zuzu-stimmen. Auch die oben skizzierten zwei Gründe spielen si-cherlich eine große Rolle für diesen Umstand. Jedoch wird auch häufig noch ein weiteres Argument genannt, das hier zu beanstanden sei: Die so genannte Singularität des Holo-caust. Diese nämlich versperre den Blick darauf, dass es auch noch durchaus Verbrechen in der Menschheitsgeschichte ge-geben habe, die mit derselben Aufmerksamkeit und Empö-rung wissenschaftlich und politisch aufgearbeitet und verur-teilt gehörten. Der Vorwurf an die Singularitätsthese, exkludierend ge- genüber anderen Verbrechen der Menschheitsgeschichte zu sein, wird verschiedentlich begründet: Zum einen sei die Ka-tegorie der Singularität analytisch irreführend, zum anderen moralisch problematisch. Kein Ereignis könne genuin singu-lär sein – erstens, weil alle Ereignisse der Weltgeschichte auf ihre Weise singulär seien und zweitens, weil kein Ereignis so dermaßen aus der Weltgeschichte losgelöst sei, als dass man wirklich von einer Singularität sprechen könne. Drittens sei die Kategorie der Singularität zu verwerfen, weil sie automa-tisch eine Hierarchisierung vornehme: Es gebe also Ereignis-se, die „singulär“ seien, und „alle anderen Ereignisse“, denen man dieses Prädikat nicht verleihen möchte und die daher in bestimmter Hinsicht „weniger relevant“ seien. Viertens wird immer wieder moniert, dass die Behaup- tung, der Holocaust sei singulär, gleichzeitig bedeute, er sei  VERGLEICHEN, GLEICHSETZEN, VERKENNEN – ZUR KOLONIALEN UMDEUTUNG DES HOLOCAUST IM  HISTORIKERSTREIT 2.0 VON STEFFEN KLÄVERS Vergleichen, gleichsetzen,   verkennen – Zur kolonialen  Umdeutung des Holocaust im  Historikerstreit 2.0 In seinem Beitrag geht  STEFFEN KLÄVERS  der Frage nach, mit welchen Argumenten der Holocaust in aktuellen wissen- schaftlichen und publizistischen Beiträgen in ein imperial-koloniales Framework eingereiht wird.


 ZUKUNFT | 33  nicht mit anderen Ereignissen vergleichbar. So wird konsta-tiert, dass einem Ereignis das Prädikat des Singulären zu ver-leihen, automatisch den Vergleich mit anderen Ereignissen „verbiete“ oder „tabuisiere“. Hier böte also die Kategorie der Singularität auch eine gewisse Komfortzone für die politische Debatte: Andere Ereignisse müssten als relevante Vergleichs-größen gar nicht erst konsultiert werden, da ein singuläres Er-eignis von vornherein den Vergleich obsolet mache. Die Implikationen der Singularitätsthese des Holocaust in  Bezug auf die Aufarbeitung des Kolonialismus wären also die Folgenden: Die politische und wissenschaftliche Aufmerk-samkeit auf das Leid des Kolonialismus und seiner Kontinuitä-ten würden durch die Singularitätsthese des Holocaust einge-schränkt, denn die Singularitätsthese nehme eine moralische Hierarchisierung verschiedener Gewaltgeschichten vor. Dies führe in der Konsequenz dazu, dass begrenzte materielle und immaterielle Erinnerungs- und Aufarbeitungsressourcen der Politik und der Wissenschaft ungleichmäßig und ungerecht verteilt würden. Dabei gebe es kaum einen Grund, dem Ho-locaust das Prädikat des Singulären zuzusprechen, denn bei Betrachtung bspw. kolonialer Genozide zeige sich, dass es hier frappierende Ähnlichkeiten gebe und die Feindbildkonstruk-tion der „Juden“ im Nationalsozialismus sich nicht von der kolonial unterdrückter Völker unterscheide. Außerdem sei-en doch alle Ereignisse der Menschheitsgeschichte singulär in dem Sinne, dass sie bestimmte Besonderheiten aufwiesen und für sich genommen historisch einzigartig seien. Von einer wie auch immer gearteten Spezifik des Antisemitismus zu spre-chen sei daher auch irreführend, denn der Antisemitismus sei auch ein Rassismus, nur eben gegen jüdische Menschen (wes-wegen man eigentlich von „antijüdischem Rassismus“ spre-chen müsse). Auch wenn es in Teilen zutreffen möge, dass es singuläre Elemente im Holocaust gebe, sei er in die europäi-sche Kolonialgeschichte einzuordnen. Und letztendlich gehe es in Bezug auf die Singularität des Holocaust doch vor allem auch darum, jedwede Kritik an der Politik des Staates Israel zu unterdrücken. Nicht umsonst würde jede Kritik an der Poli-tik Israels automatisch mit dem Vorwurf des Antisemitismus sanktioniert. Dabei sei es doch gerade in Bezug auf die Kritik des Kolonialismus notwendig, ja geboten, Israel und den Zi-onismus als das zu erkennen, was sie seien: Eine Kontinuität des europäischen imperialen und rassistischen Siedlungskolo-nialismus, der die binäre Logik von weißen, westlichen Un-terdrückern und nicht-weißen, nicht-westlichen Kolonisier-ten fortschreibe. III.  DIRK MOSES UND DER „KATECHISMUS    DER DEUTSCHEN“ Eine solche antirassistische, antiimperiale und antikoloniale  Kritik an der Singularitätsthese des Holocaust hat kürzlich ex-emplarisch der Historiker Anthony Dirk Moses im Mai 2021 in seinem Aufsatz Der Katechismus der Deutschen formuliert (Mo-ses 2021a). Dieser steht im Zentrum des so genannten Histori-kerstreits 2.0, ähnliche Fragen wurden bereits in der Diskussion um die Schriften des Politikwissenschaftlers und Philosophen Achille Mbembe im Jahr 2020 und anlässlich der Veröffentli-chung der deutschen Übersetzung von Michael Rothbergs Multidirectional Memory: Remembering the Holocaust in the Age of Decolonization Anfang 2021 verhandelt. Retrospektiv kann Mo-ses’ Beitrag aber als eigentlicher Schlüsseltext des Historikerstreits 2.0 verstanden werden, da er sämtliche zuvor debattierten Fra-gen anschaulich aufführt. In fünf Punkten illustriert er das, was er „fünf Überzeugungen“ des deutschen Katechismus nennt: 1.  Der Holocaust ist einzigartig, da er die uneingeschränkte  „Vernichtung von Juden um deren Vernichtung willen“ [sic]. Im Unterschied zu den pragmatischen und begrenz-ten Zielen, um derentwillen andere Genozide unternom-men wurden, versuchte hier ein Staat zum ersten Mal in der Geschichte ein Volk ausschließlich aus ideologischen Gründen auszulöschen.   2.  Da er die zwischenmenschliche Solidarität beispiellos  zerstörte, bildet die Erinnerung an den Holocaust als Zi-vilisationsbruch das moralische Fundament der deutschen Nation, oft gar der Europäischen Zivilisation.   3.  Deutschland trägt für die Juden in Deutschland eine be- sondere Verantwortung und ist Israel zu besonderer Loya-lität verpflichtet: „Die Sicherheit Israels ist Teil der Staats-räson unseres Landes.“   4.  Der Antisemitismus ist ein Vorurteil und Ideologem sui  generis und er war ein spezifisch deutsches Phänomen. Er sollte nicht mit Rassismus verwechselt werden. 5.  Antizionismus ist Antisemitismus. Dieser Katechismus werde von „Hohepriestern“ gepre- digt, die Verstöße umgehend sanktionierten. Den Holocaust mit anderen Genoziden zu vergleichen, schreibt Moses gleich im zweiten Satz seines Textes, gelte Vielen als „Häresie, als Abfall vom rechten Glauben“. Es sei zu wünschen, dass der 


 34 | ZUKUNFT  VERGLEICHEN, GLEICHSETZEN, VERKENNEN – ZUR KOLONIALEN UMDEUTUNG DES HOLOCAUST IM  HISTORIKERSTREIT 2.0 VON STEFFEN KLÄVERS Katechismus abgeschafft würde, da er Ausdruck eines nicht mehr zeitgemäßen Provinzialismus sei. Vieles an Moses’ Text erscheint mir problematisch und kri- tikwürdig, gleichwohl bestimmte seiner Diagnosen durchaus einen richtigen Kern treffen. Zum Beispiel ist Moses allerers-tem Satz, „Die Erinnerung an den Holocaust als Zivilisations-bruch ist für viele das moralische Fundament der Bundesre-publik“, analytisch zuzustimmen. Man denke an das oftmals zitierte Schlagwort des „Erinnerungsweltmeisters“ Deutsch-land, dessen vorbildliche Aufarbeitung des Holocaust auch als Exportmodell durchaus zu überzeugen wisse. Ebenso häu-fig wird in diesem Kontext daran erinnert, dass der Histori-ker Eberhard Jäckel anlässlich des fünfjährigen Bestehens des Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin am 10. Mai 2010 in seiner Rolle als Festredner sagte: „In anderen Län-dern beneiden manche die Deutschen um dieses Denkmal. Wir können wieder aufrecht gehen, weil wir aufrichtig wa-ren. Das ist der Sinn des Denkmals, und das feiern wir“ (zit. nach Breuer 2014: 46). Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder erhoffte sich von dem Bau des Denkmals gar einen „Ort, an den man gerne geht“. Wer für Eike Geisels Diktum einer deutschen „Wiedergutwerdung“ ein Beispiel sucht, fin-det es hier eindrücklich (Geisel 1984). Moses’ Kritik ist in dieser Hinsicht also durchaus zuzu- stimmen: Wo die Erinnerung an den Holocaust zur natio-nalen Selbstvergewisserung als moralisch geläuterter Nation dient, die mit diesem Modell auch anderen Nationen als Vor-bild taugt, ist Kritik angebracht. Pauschale moralische Lehren aus Auschwitz zu ziehen, die unter einem allgemeinen „Nie wieder!“ allerlei Ungerechtigkeiten subsumiert, aber sich kei-nen Begriff vom Antisemitismus macht, trägt nicht unbedingt zum besseren Verständnis von Auschwitz und Antisemitis-mus bei. Ein zu weiter Fokus kann eben auch zur Unschärfe führen. Wo das Auschwitzgedenken zum staatstragenden und normativen Integrationsmerkmal wird, kann es darüber hin-aus auch durchaus exkludierend wirken. Erschwerend kommt hinzu, dass das Narrativ der welt- meisterlichen Wiedergutwerdung auch zu einer Ignoranz der Kolonialgeschichte beitragen kann. Warum sollte man, so könnte man dieses Narrativ dahingehend wiedergeben, denn noch der Kolonialgeschichte gedenken, wenn man doch be-reits so vorbildlich an den Nationalsozialismus gedacht habe? Ein auf Auschwitz gegründetes moralisches Fundament braucht zumindest theoretisch kein zweites. Allerdings gibt  es keinen vernünftigen Grund, warum das Gedenken an die Kolonialverbrechen der Deutschen – oder auch weitere Er-eignisse – nicht auch Teil einer deutschen Staatsräson wer-den sollten. Freilich ist damit noch nichts darüber gesagt, ob Gedenkpolitik und Staatsräson überhaupt zusammenge-dacht werden sollten. Da Erinnerungspolitik aber nicht nur eine symbolische, sondern immer auch eine materielle Sei-te hat, könnten zumindest Reparationszahlungen durch der-artige symbolische Akte möglicherweise beschleunigt werden. Moses weist in seinem Katechismus-Text daher zurecht mit Empörung darauf hin, dass diese in der Vergangenheit bereits bspw. von Ruprecht Polenz mit dem Argument abgewiesen wurden, dass die Kolonialgeschichte nicht mit dem Holocaust zu vergleichen sei. IV.  VOM VERGLEICHEN UND GLEICHSETZEN Das Vergleichstabu, das von Polenz insinuiert wird, be- deutet hier eigentlich „Gleichsetzungstabu“. Es ist müßig, immer wieder darauf hinzuweisen, aber niemand hat jemals ein wissenschaftliches oder politisches Vergleichstabu aufge-stellt, niemand würde jemals einen Vergleich als solchen sank-tionieren. Mittlerweile kann man nach zwei Jahren intensi-vem Historikerstreit 2.0 fast von einer Binsenweisheit sprechen: Ein Vergleich ist natürlich keine Gleichsetzung, sondern eine notwendige wissenschaftliche Operation und alltägliche Pra-xis. Ein Vergleichstabu, das bspw. Jürgen Zimmerer und Mi-chael Rothberg in ihrem ZEIT-Essay Enttabuisiert den Vergleich im Jahr 2021 in Bezug auf den Vergleich von Holocaust und Kolonialgenozid behaupteten, erscheint dahingehend als Im-munisierungsstrategie, die einer nüchternen Überprüfung der Sachlage nicht standhält (Zimmerer und Rothberg 2021). „Das Verbot jedes Vergleichs und In-Beziehung-Setzens führt zu einer Herauslösung der Shoah aus der Geschichte und hat weitreichende Folgen“, schreiben sie in dem Text, und dar-in ist ihnen nur zuzustimmen. Sie spielen damit auf den Um-stand an, dass die Behauptung einer Holocaustsingularität den Vergleich verbiete – was bereits ein Missverständnis ist. Singu-larität im Sinne einer qualitativen Beispiellosigkeit oder Präze-denzlosigkeit kann selbstverständlich nur durch einen vorhe-rigen Vergleich festgestellt werden – auch das sollte eigentlich mittlerweile als bekannt vorausgesetzt werden. Möglicherwei-se ist der Begriff der Singularität auch nicht besonders ge-eignet, um mit ihm den Holocaust zu beschreiben – zu sehr klingt er nach Unerklärbarkeit und Unwiederholbarkeit. Da-bei ist der Holocaust weder unerklärbar noch unwiederhol-bar, sondern in diesem Sinne tatsächlich ein Ereignis wie je-des andere.


 ZUKUNFT | 35  Dennoch: Es gibt das qualitativ Beispiellose, und es liegt,  anders als Moses das postuliert, tatsächlich in der Spezifik der Ideologie des Antisemitismus. Auch wenn Moses die ers-te „Überzeugung“ des Katechismus als provinziell und abzu-schaffen beschreibt, trifft sie in der Beschreibung genau den Kern dieser Beispiellosigkeit:    „Im Unterschied zu den pragmatischen und begrenz- ten Zielen, um derentwillen andere Genozide unternommen wurden, versuchte hier ein Staat zum ersten Mal in der Ge-schichte ein Volk ausschließlich aus ideologischen Gründen auszulöschen.“ Moses lehnt diese Interpretation allerdings ab – und in sei- nem aktuellen Buch The Problems of Genocide, das auch im Ka-techismus-Text erwähnt wird, erklärt er ausführlich warum. Dort schreibt er, dass es zwei „Paradigmen“ gebe, um den Holocaust zu erklären: Einerseits das „Paradigma des Anti-semitismus“, andererseits das „Paradigma des Imperialismus und des Kolonialismus“ (Moses 2021b: 279). Wenig überra-schend ist Moses selbsterklärter Vertreter des imperial-kolo-nialen Paradigmas und lehnt das Antisemitismus-Paradigma zur Erklärung des Holocaust ab. Moses argumentiert, dass der Holocaust weniger aus der Tradition des Antisemitismus als vielmehr aus der Tradition von Imperialismus und Kolonialis-mus zu erklären sei – eine beeindruckende Betrachtungsweise, die er folgendermaßen erklärt:    „The Holocaust was less the ineluctable consequence of  scientific racism or even a millennia [sic] of antisemitism than of frustrated and paranoid imperial elites lashing out at a per-ceived enemy that it thought was intent on destroying it – however outlandish that belief.“ (Moses 2021b: 379) Dieser Abschnitt wirkt skurril, da „frustrated and paranoid  […] lashing out against a perceived enemy that it thought was intent on destroying it“ eigentlich eine durchaus brauchbare Definition von Antisemitismus darstellt. Dennoch: Die Nazis verfolgten laut Moses insgesamt weniger einen „Erlösungsan-tisemitismus“ („redemptive antisemitism“, Saul Friedländer) als vielmehr einen „Erlösungsimperialismus“ („redemptive imperialism“, Dirk Moses), bei dem der Holocaust eine von mehreren Maßnahmen darstellte, aber nicht Kernunterfangen gewesen sei. Wie es bereits Jürgen Zimmerer in seinen Schrif-ten dargestellt hat, greift auch Dirk Moses hier erneut auf den Ansatz zurück, dass der Antisemitismus der Nazis sich antiim-perial und antikolonial deuten lasse: In Moses Interpretation sahen sich die Nazis als durch das Judentum kolonisiert und stellten damit qua zugeschriebener Selbstwahrnehmung ein  kolonial unterdrücktes Volk dar. Diese Analogie begründet Moses damit, dass einige Juden Bolschewisten waren und die Nazis daher davon ausgehen mussten, dass alle in Deutschland lebenden Juden jeden Moment zum Bolschewismus überlau-fen könnten und damit eine konkrete Gefahr darstellten (vgl. Moses 2021b: 321). Moses will hier mit Positionen kontern, die das Besonde- re und Beispiellose des Holocaust auch darin begründet se-hen, dass hier eine Menschengruppe bekämpft und vernich-tet werden sollte, von der keine konkrete Gefahr ausging und von deren Bekämpfung man sich auch primär keine militäri-schen, territorialen, ökonomischen oder materiellen Vorteile erhoffte. Vom Judentum, so das von ihm kritisierte Antisemi-tismus-Paradigma, sah man sich deswegen bedroht, weil es ei-nen gleichermaßen inneren und äußeren Feind darstellte, als dämonisch-übermächtig und parasitär-leidbringend gefürch-tet würde und Deutschland finanziell und politisch knechte und ins Verderben stürze. V.  EINE „ASIATISCHE TAT“? Doch da es im „bolschewistischen Juden“ eine konkrete  Gefahr gebe, die von den Nazis nur generalisiert wurde, kön-ne man nicht mehr von einer derart abstrakten Gefahr spre-chen – und deswegen überzeuge das Antisemitismus-Paradig-ma nicht. Das Judentum würde zum kolonialen Unterdrücker, dem es sich mittels eines antikolonialen Aufstands zu entledi-gen gegolten habe. „For the Nazi elite“, schreibt Moses, „the Jews were the latest ruling class of the enduring, external, Asi-atic threat to Europe“ (Moses 2021b: 298). Die Ähnlichkeit dieses Arguments zu Ernst Nolte im ersten Historikerstreit ist verblüffend, schließlich deutete auch Nolte den Holocaust als Reaktion auf eine von Hitler so wahrgenommene bolsche-wistische Bedrohung, sprach gar von einer „asiatischen Tat“. Der Holocaust wird daher bei Moses mit der Sprache des an-tikolonialen Genozids beschrieben, den die Nazis angeblich glaubten, zu vollziehen. Dass die antisemitische Ideologie in diesem Bild nicht auf- geht, ist evident: Kolonial Unterdrückte fürchten sich vor ih-ren Unterdrücker*innen nicht in derselben Art und Weise, wie Antisemit*innen sich vor Jüdinnen und Juden fürchten. Doch nur mittels dieser Analogie gelingt es Moses, den An-tisemitismus der Nazis aus ihrer zugeschriebenen Wahrneh-mung als antiimperial und antikolonial zu deuten. So werden falsche Vorstellungen einer jüdischen Übermacht analytisch gleichgesetzt mit realen kolonialen Machtsituationen. Die 


 36 | ZUKUNFT  VERGLEICHEN, GLEICHSETZEN, VERKENNEN – ZUR KOLONIALEN UMDEUTUNG DES HOLOCAUST IM  HISTORIKERSTREIT 2.0 VON STEFFEN KLÄVERS Folge: Der Antisemitismus verliert als Paradigma zur Erklä-rung des Holocaust an Bedeutung. VI. CONCLUSIO Wem das sonderbar und überraschend erscheint, soll- te sich vor Augen führen, auf welche Art und Weise in an-tikolonialen postkolonialen Kontexten meist über Israel de-battiert und nachgedacht wird. Zwei prominente Beispiele: Achille Mbembe unterstellte dem jüdischen Staat in seinem  Buch  Politik der Feindschaft eine Vernichtungsintention ge-genüber den Palästinenser*innen, gar eine „fanatische Zer-störungsdynamik“, die darauf abzielte, „das Leben der Paläs-tinenser in einen Trümmerhaufen und einen zur Entsorgung bestimmten Berg aus Müll zu verwandeln“ (Mbembe 2017: 86). Und Edward Said schrieb in einem Text mit dem Titel Low Point of Powerlessness aus dem Jahr 2002: „I do not want to press the analogy too far, but it is true to say that Palestin-ians under Israeli occupation today are as powerless as Jews were in the 1940s“ (Said 2004: 206). In beiden dieser Beispie-le wird entweder die Dynamik des Antisemitismus nicht ver-standen und/oder wird eine Vernichtungsintention falsch auf den Staat Israel projiziert. In beiden Fällen werden Antise-mitismus und der Holocaust relativiert. Für eine sachlichere Debattenkultur, die im Verlauf des Historikerstreits 2.0 immer wieder eingefordert wurde, wäre also zunächst ein besseres Verständnis des Antisemitismus in all seinen Manifestationen, also auch dem auf Israel bezogenen, eine wünschenswerte Minimalforderung. STEFFEN KLÄVERS  ist Literaturwissenschaftler und Antisemitismusforscher. Seine   Dissertationsschrift  Decolonizing Auschwitz? Komparativ-postkoloniale  Ansätze in der Holocaustforschung ist im Jahr 2019 im Verlag De Gruyter  Oldenbourg erschienen.  DECOLONIZING AUSCHWITZ? KOMPARATIV-POSTKOLONIALE ANSÄTZE IN DER HOLOCAUSTFORSCHUNG VON STEFFEN KLÄVERS Oldenbourg: De Gruyter 257 SEITEN | € 20,50  ISBN: 978-3110763812  ERSCHEINUNGSTERMIN: SEPTEMBER 2021 Literatur Breuer, Lars (2014): Kommunikative Erinnerung in Deutschland und Polen: Täter- und Opferbilder in Gesprächen über den Zweiten Welt-krieg, 1. Aufl., in: Soziales Gedächtnis, Erinnern und Vergessen. Memory Studies, Berlin: Springer VS. Geisel, Eike (1984): Lastenausgleich, Umschuldung. Die Wiedergut-werdung der Deutschen. Essays, Polemiken, Stichworte, Berlin: Edition Tiamat. Mbembe, Achille (2017): Politik der Feindschaft, Erste Auflage, Berlin: Suhrkamp. Moses, A. Dirk (2021a): „Der Katechismus der Deutschen – Geschichte der Gegenwart“, 23. Mai 2021, online unter: https://geschichtedergegen-wart.ch/der-katechismus-der-deutschen/ (letzter Zugriff: 15.01.2022). Moses, A. Dirk (2021b): The Problems of Genocide: Permanent Security and the Language of Transgression, 1. Aufl., Cambridge: Cambridge University Press.  Said, Edward W. (2004): From Oslo to Iraq and the road map, 1. Aufl., New York, NY: Pantheon Books.  Zimmerer, Jürgen/Rothberg, Michael (2021): „Erinnerungskultur: Ent-tabuisiert den Vergleich!“, in: Die Zeit, 4. April 2021, Abschnitt Kultur, online unter: https://www.zeit.de/2021/14/erinnerungskultur-geden-ken-pluralisieren-holocaust-vergleich-globalisierung-geschichte (letzter Zugriff: 15.01.2022).


VERGLEICHEN, GLEICHSETZEN, VERKENNEN – ZUR KOLONIALEN UMDEUTUNG DES HOLOCAUST IM  HISTORIKERSTREIT 2.0 VON STEFFEN KLÄVERS  ZUKUNFT | 37  El Lissitzky: Agitprop Plakat auf den russischen Bürgerkrieg: „Schlag die Weissen mit dem roten Keil“, 1920© Ne Boltai! Collection. Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden 


 38 | ZUKUNFT  „… DASS SICH DIE LINKE DURCH IHREN ANTIZIONISMUS SELBST VERGISST …“    INTERVIEW MIT MARLENE GALLNER, GEFÜHRT VON GEORG PEPL Georg Pepl: Sie sind die Herausgeberin von Jean Amé- rys Essays on Antisemitism, Anti-Zionism, and the Left. Was sind seine Thesen? Marlene Gallner:  Jean Améry war einer der ersten, der  den linken Antizionismus im deutschsprachigen Raum öf-fentlich als das kritisierte, was er ist: als Antisemitismus. Amé-ry, 1912 in Wien geboren, wurde selbst als Jude verfolgt und hat mehrere Konzentrationslager, darunter Auschwitz, nur durch Glück überlebt. Er hat am eigenen Leib erfahren, wo-hin der Antisemitismus letztlich führt. Nämlich zur Vernich-tung um der bloßen Vernichtung willen. Es ging nicht um Ausbeutung, es ging nicht um den Sieg über einen politischen Gegner, es ging um Vernichtung. Und die war den Täterin-nen und Tätern wichtiger noch als ihre eigene Selbsterhal-tung. Das macht die Shoah bis heute präzedenzlos. Vielleicht gerade weil Améry nicht religiös war und er keinerlei Verbin-dung zur israelischen Sprache oder Tradition hatte, konnte er in seinen Schriften betonen, wie wichtig Israel für  Jüdinnen und Juden ist. Denn Israel als jüdischer Staat bietet Jüdinnen und Juden weltweit eine potenzielle Zuflucht vor antisemi-tischer Bedrohung und kann sich notfalls auch selbst vertei-digen, ohne auf das Wohlwollen anderer angewiesen zu sein. Die Linken, die das nicht verstehen, haben nach Amé- ry vom Antisemitismus nichts begriffen. Sie verkennen, dass der Antisemitismus stets mit neuen Spielregeln auftrumpfen muss, wollen die Antisemiten und ihre Freundesfreunde nicht als solche diffamiert werden. Der neue Antisemitismus nennt  seinen eigenen Namen nicht. Es wird beteuert, man habe nichts gegen „Juden“, man sei kein Antisemit, man sei An-tizionist. Und so fühlt sich der neue Antisemit moralisch er-haben. Améry nennt diese aktualisierte Form deswegen den „ehrbaren Antisemitismus“. Der neue Antisemit spielt dem alten, der seinen Judenhass unverhohlen äußert, und den es fraglos noch immer gibt, in die Hände. Beides läuft auf das-selbe hinaus: die Gefährdung und schlimmstenfalls die Ermor-dung von Jüdinnen und Juden. Schon Jean-Paul Sartre, auf den sich Améry immer wieder bezieht, sprach von der inhä-renten Todesdrohung des Antisemitismus. Der Antisemitismus ist im Antizionismus enthalten wie das Gewitter in der Wol-ke, schreibt Améry. Er kritisiert treffend, dass die „emotionel-le Infrastruktur“ bei beiden die gleiche ist. Dass die Linke die Shoah und den eliminatorischen An- tisemitismus ausblendet, und den Nationalsozialismus bloß unter den Faschismus subsumiert, sieht Améry als entschei-dendes Problem. Die vermeintliche Solidarität mit den Pa-lästinenserinnen und Palästinensern dient ihnen als instru-mentelle Rechtfertigung, um gegen Israel zu agitieren. Nicht zuletzt, und darin auch geradezu hellsichtig, begreift Améry die Bedrohung durch die benachbarten arabischen Staaten als gravierende Gefahr. Er hat vieles vorweggenommen und vor Entwicklungen gewarnt, die sich später tatsächlich bewahr-heiten sollten. Aber das erstmal bis hier. G.  P.:  In welcher historischen Situation schrieb Améry  diese Essays? „… dass sich die Linke durch   ihren Antizionismus selbst   vergisst …“  Soeben sind im Englischen Jean Amérys Schriften zu Antisemitismus, Anti-Zionismus und der Linken erschienen. Die Wie-ner Essayistin  MARLENE GALLNER  hat sie herausgegeben und antwortet auf die Fragen von  GEORG PEPL . Interview mit Marlene Gallner, geführt von Georg Pepl


 ZUKUNFT | 39  M. G.:  Während die Linke in Deutschland dem jüdischen  Staat in den unmittelbaren Nachkriegsjahren relativ wohlwol-lend gegenüberstand – laut Améry, weil die Erinnerung an den Judenmord noch präsent war – änderte sich diese Haltung in den 1960er-Jahren sprunghaft. Améry veröffentlichte die Essays zwischen 1966 und 1978. Er hat also bereits vor dem Sechstagekrieg begonnen, vor dem Antizionismus zu warnen. Aber mit diesem Krieg 1967 fielen die Hemmungen. Endlich konnte man „die Juden“ als Täter darstellen, endlich konnte man sich ihnen gegenüber moralisch überlegen fühlen. Gera-de in den postnationalsozialistischen Ländern entlastete dies das Gewissen. In Deutschland noch mehr als in Österreich, wurde in letzterem die eigene Täterschaft lange Zeit geleug-net. Was auch nicht besser ist. Im Grunde, so muss man psy-choanalytisch annehmen, hat die Student*innen- und Stu-dentenbewegung, die Améry vor Augen hatte, nur scheinbar mit ihren Nazieltern gebrochen. Denn sie führte deren anti-semitische Ideologie im neuen Gewand fort. Ich will nur ein Beispiel nennen, welche Früchte der Antizionismus damals trug. Im Dezember 1969 protestierten linke Aktivist*innen in Kiel gegen einen Vortrag des israelischen Mikrobiologen Alexander Keynan. Sie verteilten Flugblätter mit der Parole: „Schlagt die Zionisten tot – macht den Osten rot!“ Leider stießen Amérys Ausführungen in der Linken auf taube Ohren. Es war wie ein Kampf gegen Windmühlen. G. P.: Wie ist die Idee zu dem Buch entstanden? M. G.:  Die kurze Antwort ist: Weil die Essays brennend  aktuell sind. Die längere: Ich habe 2016 in den USA einen Vor-trag über Amérys Kritik des Antisemitismus gehalten. Wie es der Zufall wollte, war im Publikum damals Sidney Rosen-feld anwesend, der Améry persönlich kannte und der gemein-sam mit seiner Frau Stella Rosenfeld 1980 Amérys Jenseits von Schuld und Sühne ins Englische übertragen hat. 1984 haben die beiden noch eine Sammlung von vermischten Essays über-setzt, die unter dem Titel Radical Humanism publiziert wurde. Die Bücher sind damals in der Indiana University Press erschie-nen, dem Verlag just an jener Universität, an der ich meinen Vortrag hielt. So hat es sich ergeben, dass ich noch vor Ort mit der damaligen Verlagsdirektorin über die Idee gesprochen habe, Amérys Essays über Antisemitismus, Antizionismus und die Linke herauszugeben. Zudem hatte ich, dafür bin ich sehr dankbar, während des gesamten Prozesses, der durchaus auch ein steiniger Weg war, die Unterstützung von Alvin Rosen-feld, der das in Indiana ansässige Institute for the Study of Con-temporary Antisemitism leitet, und der ein Geleitwort verfasst  hat. Irene Heidelberger-Leonard, die Biografin Amérys, hat für das Buch übrigens eigens ein Nachwort bereitgestellt. G. P.: Handelt es sich um die erste englischsprachige Aus- gabe von Amérys Texten zu den Themen Antisemitismus und Antizionismus? M. G.:  Ja, es handelt sich um die erste englischsprachige  Übersetzung der Essays. Und es ist das erste Buch überhaupt, dass sie alle in einem Band versammelt. Auf Deutsch sind sie zwar verfügbar, aber sie sind auf mehrere Bände der Gesam-melten Schriften verteilt. Sie sind auch sonst bislang in keine an-dere Sprache übersetzt worden. G.  P.:  Zählt Améry in den USA und Großbritannien zu  den bekannten Autor*innen? M. G.:  Nein. In den wenigen Fällen, in denen er doch  bekannt ist, ist er es entweder für Jenseits von Schuld und Süh-ne und gilt als „professionelles Nazi-Opfer“, das Améry nie sein wollte und was sein Engagement gegen den Antisemi-tismus nach dem Zweiten Weltkrieg völlig übersieht, oder er wird für seine Arbeiten über den Freitod hervorgehoben. Sei-ne Kritik des Antizionismus ist so unbekannt, dass selbst Leu-te, die gegen Israel agitieren, Améry zitieren und beispielswei-se seine Ausführungen über die Folter aus Jenseits von Schuld und Sühne heranziehen. Dies geschieht natürlich mittels iso-lierter Zitate, die herausgepickt werden und abgetrennt sind von dem, was er sonst geschrieben hat. Auch deswegen woll-te ich das Buch herausgeben. Zumal die Essays durch Lars Fi-schers Übersetzung ins Englisch nun nicht nur für Leserinnen und Leser in den USA und Großbritannien zugänglich werden, sondern für eine internationale Leserinnen- und Leserschaft. Und das Problem des linken Antisemitismus und Antizionis-mus ist leider ein weltweites. ESSAYS ON ANTISEMITISM, ANTI-ZIONISM, AND THE LEFT VON JEAN AMERY – HG. VON MARLENE GALLNER  INDIANA: INDIANA UNIVERSITY PRESS  124 SEITEN | € 25,87  ISBN:  978-0253058768  ERSCHEINUNGSTERMIN: JÄNNER 2022


 40 | ZUKUNFT  „… DASS SICH DIE LINKE DURCH IHREN ANTIZIONISMUS SELBST VERGISST …“    INTERVIEW MIT MARLENE GALLNER, GEFÜHRT VON GEORG PEPL G.  P.: Sie haben auch in den USA studiert. Welche Ein- stellung zu Israel herrscht dort an den Universitäten vor? Und wie steht die amerikanische Linke zu Israel? M.  G.:  Es stimmt, dass an amerikanischen Universitä- ten der Antisemitismus von links sehr verbreitet ist. Nicht nur unter den Studierenden, sondern auch in den Lehrinhalten, in den Texten, die im akademischen Milieu heute in Mode sind. Man kommt hier wie dort kaum durch ein sozial- oder geisteswissenschaftliches Studium, ohne mal mehr oder weni-ger offenen antizionistischen Inhalten zu begegnen, die meist nicht kritisch, sondern affirmativ im Unterricht behandelt werden. Diese Entwicklung geht in erster Linie von „progres-siven“ Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus. Man denke da nur an Judith Butler oder Jasbir Puar. Solche Au-torinnen und Autoren sammeln sich vor allem in den Gen-der und Postcolonial Studies. Wo sich über die Hintertür auch der alte Antiimperialismus wieder einschleicht. Die BDS-Be-wegung ist an amerikanischen Universitäten ziemlich stark vertreten. Und obwohl sich ihre Proponentinnen und Pro-ponenten als harmlos gerieren, gibt es immer wieder Berich-te über direkte Anfeindungen gegen jüdische Studierende. Im vergangenen Jahr hat sich die Initiative Jewish on Campus ge-gründet, um solche Vorfälle zu dokumentieren. Die Berichte sind erschreckend. Auch außerhalb des Campus nimmt linker Antisemitis- mus derzeit an Gewalt zu. Am Rande einer pro-palästinensi-schen Solidaritätskundgebung in New York vergangenen Mai etwa wurde ein vorbeigehender Jude aus dem Nichts von ei-ner Gruppe tätlich angegriffen und antisemitisch beschimpft. So etwas kannte man bislang eigentlich eher aus Europa, we-niger aus den USA. Die antisemitischen Übergriffe haben sich 2021 im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr mehr als verdoppelt. Zur Frage, welche Einstellung zu Israel grundsätzlich an  den Universitäten vorherrscht: Die, würde ich sagen, ist ab-seits der prototypischen Linken viel entspannter als hier. Zum Beispiel ist es keine aufsehenerregende Besonderheit, mal ein Auslandssemester in Israel zu absolvieren. Und es gibt auch Lehrende, die sehr genau über die Gefahr des Antisemitis-mus Bescheid wissen und aufklären. Es gibt einige amerika-nische Professorinnen und Professoren, wie Jeffrey Herf und Alvin Rosenfeld, die hervorragende Bücher über Antisemitis-mus und Israelhass veröffentlicht haben. Leider sieht es so aus,  als ob sie immer weniger werden. Nicht zuletzt, weil es sich zum großen Teil um Professorinnen und Professoren der alten Riege handelt, die bald emeritiert sein werden. G. P.: Was kann die Linke heute von Améry lernen? M. G.:  Was muss sie lernen, wenn sie nicht zu den Hand- langern des Judenmords von morgen werden will? Améry schrieb davon, dass sich die Linke durch ihren Antizionismus selbst vergisst. Das Mantra der Linken, stets an der Seite der Schwachen zu stehen, wird im Antizionismus verkehrt. Israel wird als Aggressor und Unterdrücker imaginiert. Dabei wird „den Juden“ bis heute für alles mögliche die Schuld zuge-schoben und wegen solcher wahnhaften Projektionen sind sie von ihrer Auslöschung bedroht. Das klingt drastisch, aber man muss sich nur einmal die Aussagen der iranischen Führung an-sehen, die offen plant, Israel von der Landkarte zu streichen. Eine Linke, die das verharmlost, die auch den palästinensi-schen und islamischen Terrorismus verharmlost, trägt dazu bei, dass Jüdinnen und Juden heute angegriffen und ermordet werden. Sie muss begreifen, dass der eliminatorische Antise-mitismus eine reale Gefahr und Israel deswegen eine notwen-dige Zufluchtsstätte ist. Auch die österreichische Sozialdemokratie hat da in der  Vergangenheit einiges versäumt. Es war Bruno Kreisky, der 1973 das Transitlager in Schönau für jüdische Flüchtlinge aus der Sowjetunion dauerhaft schließen ließ. Kreisky hat damit die Forderung einer palästinensischen Terrorgruppe erfüllt, die mehrere Flüchtlinge und einen Zollbeamten am Grenz-bahnhof Marchegg als Geiseln genommen hatte. Er war es, der Jassir Arafat später nach Wien einlud und ihm den ersten Auftritt auf westlich-demokratischem Parkett ermöglichte. Wenn unter den Slogans der Menschlichkeit, des Univer- salismus oder der Demokratie dazu aufgerufen wird, Israel dürfe kein jüdischer Staat mehr sein, dann ist das keine Men-schenliebe, sondern verklausulierter Judenhass. G. P.: Was versprechen Sie sich von der Veröffentlichung  des Buches? M.G.:  Ganz naiv würde ich mir wünschen, dass das Buch  diejenigen lesen werden, die auch Améry adressiert hat: die Linken, die ihren Antizionismus nicht als Problem, sondern als moralische Adelung betrachten. Ich hatte bereits kurz er-wähnt, dass eine Übersetzung auf Englisch potenziell eine internationale Leserinnen- und Leserschaft erreicht. Aber 


 ZUKUNFT | 41  wahrscheinlich erreicht das Buch die Antizionistinnen und Antizionisten in Südafrika genau so wenig wie jene hier vor der Haustüre, wo seit letztem Frühling „Free Palestine“-Graf-fitis die Fassaden über den Stolpersteinen zieren. MARLENE GALLNER  hat wischen 2011und 2019 Politikwissenschaft, Philosophie,  Geschichte, Jüdische Studien und Austrian Studies an der   Universität Wien und der University of Maryland studiert.   Sie arbeitet und schreibt zur Kritik des Antisemitismus   und postnazistischer Vergangenheitsbewältigung. GEORG PEPL  ist promovierter Musikwissenschaftler und lebt  als Kulturjournalist in Kassel. Marlene Gallner © Privat


 42 | ZUKUNFT  Wahlplakat der Farejnikten, Text auf Jiddisch: „Bürger zu den Wahlen.  Stimmt für die Vereinigte Jüdische Sozialistische Arbeiterpartei, Ukraine, 1917 © Ne Boltai! Collection. Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden 


 ZUKUNFT | 43  Victor Theodor Slama: Plakat der Roten Hilfe, Wien, 1928© Wiener Stadt- und Landesbibliothek. Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden 


 44 | ZUKUNFT  I. EINLEITUNG Schon im einleitenden Kapitel des Bandes Israel – Traum  und Wirklichkeit des jüdischen Staates zeichnet Michael Brenner Die Sehnsucht nach Normalität nach, die mit dem Traum vom „eigenen Staat“ und der Normalisierung des Schicksals des jüdischen Volkes in Verbindung gebracht wurde – „ein Volk wie jedes andere“ zu werden, wird bei Brenner (zum Teil auch anekdotisch belegt) als bedeutender Aspekt der zionis-tischen Bestrebungen unterstrichen. Gleichzeitig aber steckt darin bereits im Keim der Widerspruch mit der sowohl reli-giös, aber häufig auch säkular bedienten Rhetorik der „Aus-erwähltheit“ bzw. „Andersheit“, die sich im historischen Zi-onismus beispielsweise im Anspruch niederschlägt, einen „israelischen Musterstaat“ zu errichten. Die These des Autors unterstreicht, hier verkürzt wiedergegeben, den sich ergeben-den Widerspruch, in dem seiner Betrachtung nach Israel bis heute verfangen bleibt: Sowohl die aus äußerer als auch aus innerer Perspektive erfahrene „Andersheit“ des jüdischen Vol-kes als Diaspora-Gesellschaft konkurriert mit der angestrebten Normalität, was auch durch die besonderen, ja einzigartigen Umstände der Staatsgründung, einer Normalisierungsbestre-bung schlechthin, nur wieder betont wurde. Auch die geo-politische Relevanz des – vergleichsmäßig kleinen – Staates spiegelt diese Sonderstellung, die ein Entkommen vor der An-dersheit verunmöglicht: „Israel“ und „Antizionismus“ hätten in diesem Zusammenhang, so Brenner, die Begriffe „Juden“ und „Antisemitismus“ als „kulturellen Code“ abgelöst. II.  VOM ERSTEN ZIONISTENKONGRESS    ZUR STAATSBILDUNG Ausgehend von einem kurzen historischen Überblick zur  Geschichte des jüdischen Volkes von der Antike weg, wid-met sich Brenner daraufhin konzentriert den konkreten Ent-wicklungen der Moderne, vor allem ab dem Wendepunktjahr 1897, in chronologischer Anordnung. So zeichnet er paral-lellaufende Bewegungen, die in einer vereinfachten Darstel-lung der Historie des israelischen Staates häufig vernachläs-sigt werden, im Kapitel Am Scheideweg: 1897 nach. Die ab dem 19. Jahrhundert schrittweise dringlicher werdende „Ju- REZENSION:  ISRAEL – TRAUM UND WIRKLICHKEIT DES JÜDISCHEN STAATES. VON MICHAEL BRENNER REZENSIERT VON MARIE-THERES STAMPF Rezension:  Israel – Traum  und Wirklichkeit des   jüdischen Staates.   Von Michael Brenner Michael Brenners Aufbereitung der Entstehung Israels bietet eine sachliche Übersicht zur historischen Entwicklung des Zio-nismus sowie seiner konkurrierenden Gegenpositionen, die von der frühen Ideengeschichte bis zur heutigen politischen und gesellschaftlichen Lage des Staates reicht.  MARIE-THERES STAMPF  hat für die Leser*innen der  ZUKUNFT  rezensiert. Rezensiert von Marie-Theres Stampf ISRAEL: TRAUM UND WIRKLICHKEIT DES JÜDISCHEN STAATES VON MICHAEL BRENNER  MÜNCHEN: C. H. BECK 288 SEITEN | € 16,45 ISBN: 978-3406688225 ERSCHEINUNGSTERMIN: NOVEMBER 2016


denfrage“ führte dabei zu Lösungsbestrebungen, die die Bil-dung des Staates, wie Brenner konstatiert, weniger ge-radlinig verlaufen ließen, wie indes heute oft vereinfacht dargestellt wird: Sozialistische Bundist*innen, die eine Nor-malisierung durch den Klassenkampf herbeisehnten, radika-le Assimilationsbefürworter*innen und der Diasporanationa-lismus konkurrierten dabei mit dem Zionismus, der in sich selbst wiederum in verschiedene Vorstellungen zur Staatsbil-dung zersplittert war. Brenner bietet dabei ein Panorama der politischen und intellektuellen Strömungen zum Thema „Ju-denstaat“ ab 1897, dem Zeitpunkt des Ersten Zionistischen Kon-gresses in Basel, und zeichnet parallel dazu in Eckdaten die erhöhte Dringlichkeit aufgrund des erstarkenden Antisemitis-mus nach. Im darauffolgenden Kapitel stellt er zwei Staatsmodelle  vor, die bis 1917 (mit der Balfour-Deklaration als Meilenstein der jüdischen Territorialforderung) erdacht wurden: Theodor Herzls universalistisches Altneuland und Achad Ha’ams parti-kularistisches  Hebräerland. Die Trennlinie zwischen der nati-onalistischen Vorstellung (Herzl) und der säkularen, doch jü-disch-kulturzentrierten Ha’ams verläuft dabei, laut Brenner, weniger scharf entlang einer Ost-West-Dichotomie, wie oft angenommen. Der Autor verweist außerdem auf grundsätz-lich ähnliche, utopische Anteile (Gleichstellung der Frau, To-leranz gegenüber dem nicht-jüdischen Bevölkerungsanteil, grundsätzliche Säkularität), aber auch darauf, dass beide Mo-delle der Mehrheit zionistischer Jüdinnen und Juden mit tra-ditionellen Ansprüchen nicht entsprachen. Der nächste chronologische Abschnitt des Werks be- handelt den Zeitraum von 1917 bis 1947. Mit der Zusiche-rung einer „jüdischen Heimstätte“ durch die Mandatsmacht Großbritannien 1917 wurde ein weiterer Schritt in der Trans-formation vom Traum zur Verwirklichung des jüdischen Staa-tes gesetzt. Wie undefiniert dieser jedoch in den folgenden Jahrzehnten blieb, zeigt Brenner nicht nur anhand der vage gehaltenen Zusicherungen auf, sondern auch innerhalb der zionistischen Debatte. Die verschiedenen Lösungsansätze, die von einer autonomen Region (bis in die 1920er-Jahre vor-herrschend) über eine binationale Einstaatenlösung (inklusive paritätischer Machtverteilung) bis hin zur Zweistaatenlösung und der – von Brenner in Anlehnung an Jabotinsky so ge-nannten – „Fata-Morgana-Lösung“ der Territorialist*innen, die den Staat in einem anderen Gebiet als dem des histori-schen Israels schaffen wollten, konkurrierten dabei bis in die 1940er-Jahre. Durch die Bedrohung des Holocaust wurde in  dem als Biltmore-Programm bekannt gewordenen Ergebnis des außergewöhnlichen Zionistenkongresses 1942 als rasche Lö-sung die Begrenzung der jüdischen Einwanderung nach Paläs-tina aufgehoben und der Grundstein für den souveränen Na-tionalstaat gelegt, der als Konsequenz des Genozids in Europa nun zu Recht gefordert wurde. III.  NATIONALSTAAT IN GENESE Mit dem Beschluss der UNO-Vollversammlung zum Tei- lungsplan Palästinas 1947 bricht die nächste Epoche in der Ge-schichte des israelischen Staates an, die Brenner bis zum Sechs-tagekrieg 1967 zusammenfasst. Hier thematisiert der Autor vor allem die vielfältigen Fragen, die die Staatsgründung so-wohl in Bezug auf den Diasporismus der jüdischen Mehrheit, als auch die Definition seiner zukünftigen Bewohner*innen aufwarf. Die bereits seit Beginn zionistischer Bestrebungen bekannte Problematik des Oszillierens zwischen Normalität und Besonderheit gewinnt wieder an Bedeutung: Der wi-dersprüchliche Wunsch, ein Staat wie jeder andere und doch gleichzeitig Musterstaat zu sein, spiegelt sich auch in der Un-abhängigkeitserklärung sowie in der humanitären Hilfe, die Israel leistete, aber auch in der Debatte um eine gefürchtete „kollektive Assimilation“. Gleichzeitig stellte die religiöse De-finition der jüdischen Zugehörigkeit die Rückkehrprogram-matik vor juristische Präzedenzfälle, da Ethnie und Religi-on schwer trennbar schienen. Dem Ringen um eine eigene nationale Identität, das sich in einem staatlichen Kollektivis-mus niederschlug, standen individualistische Entwicklungen gegenüber. Den für Brenner „radikalsten Normalisierungs-versuch“ stellen die Vorstellungen der Kanaanäer*innen in diesem Zeitraum dar, die das israelische Volk vom Diaspora-Judentum abkoppeln und mit der lokalen Bevölkerung als he-bräische Ethnie verschmelzen lassen wollten. Mit dem Sechstagekrieg wandelte sich das internationale  Verständnis Israels bedenklicher Weise vom Opfer zum Täter. Eine globale Abschottung, UN-Resolutionen sowie die Her-abminderung zum „Pariastaat“ waren die antisemitische Fol-ge. In diesem Ereignis sieht Brenner eine „zweite Staatsgrün-dung“, die zum einen das israelische Selbstbewusstsein und Sicherheitsgefühl stärkte, zum anderen die Problematik der nun unter Besatzungsmacht stehenden Palästinenser*innen mit sich brachte. Die „Wunder“-Rhetorik zum Kriegser-folg rückte die Gebietseroberungen in einen religiösen Kon-text, der von nun an auch tagespolitisch relevant wurde. Ge-genstimmen sahen die säkularen Ziele verraten oder äußerten ethische Bedenken gegenüber der Besetzung. Ab 1977 setz-  ZUKUNFT | 45 


 46 | ZUKUNFT  te sich dann mit der Wahl Menachem Begins ein zunehmend rechtsnationaler Kurs durch, der die Siedler*innenbewegung stärkte. Eine Entspannung auf internationaler Ebene, so-wie ernsthafte Friedensbestrebungen folgten erst Anfang der 1990er-Jahre, eine Entwicklung, die laut Brenner schnell wie-der abgelöst wurde, da mit dem Amtsantritt des nationalis-tischen Benjamin Netanjahu ein „kalter Friede“ eintrat. Im Unterkapitel Endzeitträume geht Brenner auf die höchst inte-ressanten Außenperspektiven zum israelischen Staat ein, bei-spielsweise die Rolle, die das Land in evangelikalen Endzeit-vorstellungen einnimmt, wodurch sich auch die komplexe Beziehung zu den USA ergibt. IV.  ZWISCHEN MODERNITÄT UND  ULTRA-ORTHODOXIE Im letzten behandelten Zeitabschnitt ab 1995, betitelt mit  Das globale Israel, behandelt Brenner die aktuellen Ein- aber auch Auswanderungsbewegungen Israels. Dabei stellt die Aus-wanderung – im Vergleich zu anderen modernen, demokrati-schen Staaten – in Israel durch die besondere Form der Staats-bildung einen von Behörden nicht gern gesehenen Spezialfall dar. Im Kapitel werden die unterschiedlichen Migrations-bewegungen und ihre Folgen auf die israelische Gesellschaft nachgezeichnet. Die neu entstehende „israelische Diaspora“ eines Staates, der das Diaspora-Dasein ablösen sollte, fördert die Diskussion um die Normalität dieser Lebensweise, die ak-tuell auch künstlerisch verhandelt wird, und bisweilen auch postzionistische Positionen hervorbringt. Auch auf die aktuell größten Einwanderungsgruppen aus asiatischen und afrikani-schen Staaten, die ihre ethnische Zugehörigkeit aus dem My-thos der „verlorenen zehn Stämme“ ziehen, geht Brenner ein. Die dadurch resultierende zunehmende Diversität der Gesell-schaft wirft ähnliche Problemstellungen wie die Migrations-debatte in europäischen Staaten auf und fördert die Polarisie-rung der israelischen Gesellschaft. Abschließend zeichnet Brenner das Bild der aktuellen sozi- alen, kulturellen und politischen Lage in Israel, das er in „zwei Gesichter“ geteilt sieht: Tel Aviv und Jerusalem. Die Trennlinie verläuft nicht nur, wie er aufzeigt, entlang religiöser und kul-tureller, sondern auch politischer Parameter. Trotzdem wäre es ein Fehler, Israel auf diese konträren urbanen Zentren zu re-duzieren: Kibbuzim, Siedlungen und die Multi-Ethnizität des Landes verunmöglichen eine simple Zweiteilung. Am Ende, so konstatiert Brenner, wurde Israel nie zu einem der utopi-schen Ideale, die ab dem 19. Jahrhundert von Herzl, Peres oder Ha’am erträumt wurden: Es wurde ein bisschen von allem. V. FAZIT Brenner arbeitet chronologisch die Entstehung des israeli- schen Staates auf und legt besonderes Augenmerk auf die Ide-engeschichte zum „Judenstaat“, dessen Entwicklung von der visionären Vorstellung Ende des 19. Jahrhunderts zur heuti-gen, konkreten Form vom Autor sehr detailliert präsentiert wird. Dass dieser Präzedenzfall der Staatsgründung nach wie vor zwischen Normalität und Sonderstellung pendelt und wie tief diese zu verhandelnden Oppositionen in der Geschichte des jüdischen Volkes ankern, verdeutlicht Brenners pluralisti-sche Rundschau philosophischer und politischer Meinungen. Der titelgebende Gegensatz von Traum und Wirklichkeit trifft vor allem auf den vom Autor wiederholt gezogenen Vergleich zwischen den utopischen Anteilen des frühen Zionismus und ihrer Umsetzung zu. Brenner bietet hier keine reine Abfolge historischer Ereignisse, vielmehr einen profunden Einblick in die überraschend vielfältigen Ideen zum israelischen Staat, die diesen selbst nach seiner Gründung noch begleiten. MARIE-THERES STAMPF ist Literaturwissenschaftlerin mit den Forschungsschwerpunkten   Literaturgeschichte, Literatur und Nationalismus sowie Phantastik.   Aktuell arbeitet sie über den Motivkomplex der Dystopie in sozio-historischen Kontexten. REZENSION:  ISRAEL – TRAUM UND WIRKLICHKEIT DES JÜDISCHEN STAATES. VON MICHAEL BRENNER REZENSIERT VON MARIE-THERES STAMPF


 ZUKUNFT | 47  Herzl-Stalin-Teppich, Josef Stalin übermalt mit Herzl-Bart, Wandteppich, Sowjetunion, 1930er-Jahre ©  Anton Felton Collection, Israel. Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden 


 48 | ZUKUNFT  I. EINLEITUNG Schaut man auf gegenwärtige Diskussionen des deutsch- jüdischen Verhältnisses und sucht nach intellektuellen Anker-punkten, dann landet man möglicherweise bei der Freund-schaft von Walter Benjamin und Gershom Scholem. Beide aus gutbürgerlichem Haus stammend – Benjamin als Sohn eines Antiquitätenhändlers, Scholem als der eines Buchdruckers – begegneten sie sich 1915 erstmals. Während Benjamin früh-zeitig ein sprachphilosophisches und mystisches Interesse zeig-te, wandte sich Scholem, gleichwohl als Widerstand gegen die häusliche Assimilation, dem Zionismus zu und lernte hebrä-isch. Ein äußerliches Zeichen war der Wandel seines Namens von Gerhard in Gershom, selbst wenn Walter Benjamin ihn zeit seines Lebens mit Gerhard anredete. Ihre gemeinsam ge-teilte Zeit währte im Vergleich der Freundschaft bis zu Benja-mins frühem Tod 1940 lediglich bis 1923, als Scholem seinen Entschluss umsetzte und nach Jerusalem auswanderte. II.  EINE FREUNDSCHAFT Aber diese Zeit war von einer Intensität geprägt, die das  Fundament für die Folgejahre darstellte, in denen sich beide bis auf einige wenige Besuche in Paris nicht mehr sahen, auch wenn sie es sich vornahmen und das als Sehnsuchtsmoment immer wieder formuliert ward. Die Freundschaft der beiden ist gut dokumentiert, nicht nur über die vorliegenden Brief-wechsel, deren Publikation Scholem initiierte, sondern eben-so über die Biografien über Walter Benjamin sowie Scholems Geschichte ihrer Freundschaft.  Es ist sinnvoll, sich aus heutiger Sicht einige Punkte die- ser Freundschaft zu vergegenwärtigen, da sie alles andere als selbstverständlich geworden sind. So vermerkte der sieben Jahre jüngere Scholem eher lakonisch, dass sie „beide eigent-lich keine Lehrer im guten Sinne des Wortes“ hatten, und „ohne akademische Führer [ihren] Sternen nach[gingen]“ (Scholem 1975: 32). Das hielt sie nicht davon ab, sich selbst zu bilden und den jeweils anderen in der Lektüre und durch die Lektüre zu fordern, dabei von gemeinsamen Interessen aber von unterschiedlichen Standpunkten auszugehen, näch-telang mit gegenseitiger Literaturempfehlung zu diskutieren und dem anderen zuzuhören. Der Stellenwert einzelner Texte und Bücher – mit Blick auf Bildung in ihrem Kontext – tritt deutlich hervor, wenn die Mühen der Beschaffung ersichtlich werden, beispielsweise im ganz selbstverständlichen Erstellen von Abschriften per Hand. Doch was macht diese außeror- NOLO CONTENDERE! ZUR FREUNDSCHAFT ZWISCHEN WALTER BENJAMIN UND GERSHOM SCHOLEM  VON THOMAS WILKE Nolo Contendere! Zur Freundschaft zwischen Walter  Benjamin und Gershom Scholem Angesichts unseres Schwerpunktthemas Israel und Antisemitismus bespricht  THOMAS WILKE  eine für die Geschichte   des Judentums im 20. Jahrhundert mehr als bedeutsame Freundschaft. Denn die Lebenslinien und Beziehungen von Walter Benjamin und Gershom Scholem spielen für das Schicksal der Jüdinnen und Juden eine paradigmatische Rolle. WALTER BENJAMIN – DIE GESCHICHTE  EINER FREUNDSCHAFTVON GERSHOM SCHOLEM BERLIN: SUHRKAMP299 SEITEN | € 13,31ISBN: 978-3518241141ERSCHEINUNGSTERMIN: JULI 2016


 ZUKUNFT | 49  dentliche Freundschaft darüber hinaus für die Gegenwart so interessant? III.  BERLINER KINDHEIT UND BRIEFE Es sind erst einmal die gemeinsamen Wurzeln in Berlin,  die Auseinandersetzung mit der jüdischen Religion, dem fa-miliären Assimilationsprozess, der Verortung im Deutschen bis hin zu Fragen des Nationalen als Differenzlinie zur zio-nistischen Diskussion der Zeit, aber genauso das Leben in ei-ner sich grundlegend verändernden Welt – politisch, wirt-schaftlich, kulturell, religiös, sozial. Viel verband die beiden, selbst mit grundverschiedenen Charakteren: das Interesse an der jüdischen Kultur, das schwierige Verhältnis zu den Vä-tern, das eigenwillige Entscheiden für ein interessegeleitetes Studium, die Suche nach Orientierung verbunden mit dem Blick auf eine wissenschaftliche Karriere, der Wille, den ande-ren zu verstehen, die Neugier, aber auch Engel als Sujet, das Übersetzen, letztlich die Distanz zum Ersten Weltkrieg, des-sen Ausgang sie im selbstgewählten Exil zusammen mit Ben-jamins Frau Dora in der Schweiz verbrachten. In dieser Zeit zeigte sich Doras vermittelndes Geschick in durchaus span-nungsreichen Situationen zwischen den beiden. Während Scholem in den meisten Bereichen pragmatisch veranlagt war, lässt sich Benjamin in Geldfragen alles andere als souverän, und teilweise spröde bis distanziert-unzugänglich im Um-gang mit anderen Menschen beschreiben. Nahezu unverein-bar scheinen jedoch ihre moralischen Positionen, die jedoch nur selten explizit und schon gar nicht als Vorwurf zur Spra-che kamen. Während der Verlobte Walter Benjamin mit der verheirateten Dora Pollack in deren Haus ein Verhältnis be-gann, das kurze Zeit später zur Ehe und bereits 1918 zum ge-meinsamen Sohn Stefan führte, berührten die lebhaft geführ-te Ehe und die später offenen Ehebrüche Benjamins Scholem eher peinlich, auch wenn er sich nach dreizehn Ehejahren von seiner Frau Escha trennte, um kurz darauf seine Studentin zu ehelichen. Das waren allerdings keine Themen zwischen den beiden, sondern eher Bestandteil der biografischen Aufarbei-tungen. Denn auch wenn heute Kommunikation problem-schaffend wie auch problemlösend als „Schild und Schwert“ ideologisch erhöht, als Kompetenz, Ressource und Strategie angerufen wird: Was braucht es, um den anderen zu verste-hen: „Unsere Gemeinschaft besteht eben darin, daß jeder die-se Stummheit des anderen wortlos versteht und ehrfürchtet“. Das geht aber nur, wenn es eine gemeinsame Basis gibt. Ein konstitutives Element dieser Freundschaft bestand  weiterhin darin, dass Scholems intellektuelle Arbeit in Jerusa- lem ab 1923 zu einer Kontinuität führte, die Benjamin in sei-ner rastlosen Ortssuche nicht fand und Scholem nolens volens zum Sachwalter ihres intellektuellen Austauschs wurde. Etwa, wenn Scholem ihn um eine Textabschrift bittet oder Ben-jamin ihm einen Text übersendet, mit der Bitte um Aufbe-wahrung oder einer Auseinandersetzung mit den vorgestellten Ideen. Der für die damalige Zeit durchaus normale zeitliche Abstand der Korrespondenz von mehreren Tagen bis zu Wo-chen ist für die heutige Zeit nur noch schwer nachvollzieh-bar. Manches dauerte einfach länger. Unmittelbare mobile Kommunikation mit Bild und Sprache verändert die Tiefe des Austausches, ebenso die Erwartung eines sofortigen Antwor-tens. Sich nicht sehen zu können und seinem Hoffen Aus-druck zu verleihen, gibt dem Briefaustausch eine persönliche Note, die heute technisch die Metaebene der Digitalkom-munikation als Pixel- und Empfangsqualitätsfrage bestimmt. Das stets aufrecht gehaltene Bemühen, sich in den Briefen ge-genseitig verstehen zu wollen, ist geprägt von einem schrift-sprachlichen respektvollen Ausdruck, dem ein gewachsenes Vertrauen in der Begegnung vorausging. Dieses Ringen um Worte kommt in den Briefen zum Ausdruck und wird zu-gleich Reflexionsinstanz des wechselseitigen Verstehens. Das ist keineswegs immer und keineswegs immer gleich gegeben. IV.  VON FRAUEN, PASSAGEN UND JERUSALEM Geben wir dem folgenden Gedanken einmal den notwen- digen Raum und lassen ihn zumindest im Konjunktiv oszillie-ren: Im Frühjahr 1929 lernt Benjamin Bertolt Brecht kennen, er wendet sich dem Kommunismus zu, was Scholem nach-haltig verstimmt. Benjamin will sich von Dora trennen und streitet mit ihr um Geld, er ist Asja Lacis verfallen, die er be-reits 1924 kennenlernt, er trägt sich mit dem Gedanken, ein Magazin zu gründen und beginnt zugleich mit den Vorarbei- VON BERLIN NACH JERUSALEMVON GERSHOM SCHOLEM BERLIN: SUHRKAMP220 SEITEN | € 12,29ISBN: 978-3518240656ERSCHEINUNGSTERMIN: OKTOBER 2016


 50 | ZUKUNFT  NOLO CONTENDERE! ZUR FREUNDSCHAFT ZWISCHEN WALTER BENJAMIN UND GERSHOM SCHOLEM  VON THOMAS WILKE ten für das spätere Passagenwerk, schließlich arbeitet er journa-listisch unter anderem für den Rundfunk. Sein rastloser Weg führt ihn im Sommer, getragen von der Sorge um seine noch in Berlin befindliche Bibliothek, nach Paris. Dort trifft er sich eines Abends nach vorheriger Absprache mit Gershom Scho-lem und Judah Leon Magnes, dem Kanzler der Hebräischen Universität Jerusalem. Walter Benjamin erklärt – zur Überra-schung und Freude seines Freundes – dass er seine produk-tive Arbeit nun dem Jüdischen widmen wolle und er es sich vorstellen könne, in Jerusalem hebräisch zu lernen. Magnes ist angetan und stellt ein Stipendium in Aussicht, die Planun-gen für dieses Projekt werden zwischen Scholem und Benja-min in den folgenden Briefen konkreter. Doch Magnes weist etwas später, ohne Absprache mit Scholem, das zugesagte Sti-pendium an Walter Benjamin in einem Betrag nach Berlin an. Das verändert alle gemachten Pläne, denn Scholem kennt sei-nen Freund. Benjamin beginnt zwar, in Berlin Hebräisch zu lernen, allerdings nur für zwei Monate, aus dem geplanten Je-rusalem-Aufenthalt wird schließlich nichts, das Geld ist alle. V.  EINE FRAGE? Nun die Frage: Hätte sich Walter Benjamin bei Nichtüber- weisung seinem Freund soweit verpflichtet gefühlt, die Reise anzutreten, den Hebräischunterricht und die avisierten Studi-en vor Ort durchzuführen? Es wäre eine denkbare Weichen-stellung gewesen, Asja Lacis hätte vielleicht nicht den Einfluss auf ihn gehabt, die Auseinandersetzung mit Kommunismus und Materialismus wäre eine andere geworden. Der gedankli-che Faden ließe sich weiterspinnen, wie sich die Freundschaft zwischen Walter Benjamin und Gershom Scholem nach die-ser ersten langen räumlichen Trennungsphase entwickelt und ob es dann die Flucht 1940 sowie dieses Ende gegeben hät-te. So ist es aber nicht gekommen, es bleibt ein spekulativ ge-dankliches Konstrukt im Möglichkeitsraum. THOMAS WILKE ist Medienwissenschaftler und Historiker.   Er ist Professor für Kulturelle Bildung an der  Pädagogischen   Hochschule in Ludwigsburg und leitet dort den gleichnamigen   Masterstudiengang. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind unter  anderem Geschichte, Theorie und Analyse von Medien sowie auditive  Medienkulturen (HipHop, DJing, Mashups) und ihre Bildungskontexte.


 ZUKUNFT | 51  Weitere Literatur zum Thema DIE ANTISEMITISCHE  WELTVERSCHWÖRUNG KONKRET 07/2021 HAMBURG: KONKRET VERLAG 68 SEITEN | € 5,90 (BESTELLUNG:   HTTPS://WWW.KONKRET-  MAGAZIN.DE/) ERSCHEINUNGSTERMIN:   JULI 2021 EIN ANDERER KRIEG. DAS JÜDISCHE PALÄSTINA UND DER ZWEITE WELTKRIEG  1935–1942 VON DAN DINER MÜNCHEN: DEUTSCHE  VERLAGSANSTALT 352 SEITEN | € 34,00 ISBN:  978-3421054067 ERSCHEINUNGSTERMIN:  MÄRZ 2021 DIE DUNKLEN SEITEN DES  PLANETEN: RUDI GELBARD,  DER KÄMPFER VON WALTER KOHL GRÜNBACH: BUCHVERLAG  FRANZ STEINMASSL 242 SEITEN | € 25,00 ISBN: 978-3902427564 ERSCHEINUNGSTERMIN:  NOVEMBER 2008 SIMON WIESENTHAL.   DIE BIOGRAPHIE VON TOM SEGEV MÜNCHEN: PANTHEON 576 SEITEN | € 21,00 ISBN: 978-3570551561 ERSCHEINUNGSTERMIN:  JÄNNER 2012 KRITIK DES ANTISEMITISMUS VON ANDREAS PEHAM STUTTGART: SCHMETTERLING 240 SEITEN | € 12,40 ISBN: 978-3896576897 ERSCHEINUNGSTERMIN:  JÄNNER 2022 UND DIE JUDEN? VON DAVID BADDIEL MÜNCHEN: CARL HANSER 136 SEITEN | € 18,50 ISBN: 978-3446271487 ERSCHEINUNGSTERMIN:  OKTOBER 2021


 52 | ZUKUNFT  Heinrich Sussmann: Plakat zur Ausstellung  Niemals Vergessen im Wiener Künstlerhaus, Wien 1946  © Jüdisches Museum Wien, Slg. JMW, Inv. Nr. 26322. Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden 


 ZUKUNFT | 53  Heinrich Sussmann: Plakat zur Ausstellung  Niemals Vergessen im Wiener Künstlerhaus, Wien 1946  © Jüdisches Museum Wien, Slg. JMW, Inv. Nr. 26322. Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden 


 54 | ZUKUNFT  Tora-Mantel aus Gänserndorf, 1912/13, Foto: Peter Weiss © Jüdisches Museum Wien, Slg. IKG, Inv. Nr. 2285. Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden 


 ZUKUNFT | 55  BESTELLUNG Kupon ausschneiden& einsenden an: VA Verlag GmbHKaiser-Ebersdorfer-Straße 305/31110 Wien ICH BESTELLE "EIN LIED BEwEGT DIE wELT"7,90 € INKL. MwST ZZGL. VERPACKUNG UND VERSAND 2,00 € NAME: _________________________________________________________________ STRASSE: _______________________________________________________________ ORT/PLZ: _______________________________________________________________ TEL.: ______________________________ E-MAIL: _____________________________UNTERSCHRIFT: _______________________ ODER BESTELLUNG PER E-MAIL AN DEN VERLAG: OFFICE@VAVERLAG.AT SOLANGE DER VORRAT REICHT KAUM EIN ANDERES SyMBOL EINT DIE INTERNATIONALE ARBEITERBEwEGUNG SO STARK, wIE DIE 1871 IM NACH-REVOLUTIONÄREN PARIS VERFASSTE „INTERNA-TIONALE“. IM ANGESICHT DER NIEDERLAGE DES FRANZÖSISCHEN PROLETARIATS, wÄHREND TAUSENDE KÄMPFERINNEN UND KÄMPFER DER COMMUNE VON DER REAKTION ERMORDET wURDEN, MACHTE SICH, ÄNGSTLICH IM VERSTECK SITZEND, EUGENE POTTIER DARAN EIN TROTZIGES, HOFFNUNGSFROHES KAMPFLIED ZU SCHREIBEN. SO ENTSTAND NICHT NUR DIE wELTwEITE HyMNE EINER STOLZEN BEwEGUNG, SONDERN EIN KAMPFLIED VON MILLIONEN BEwUSSTER ARBEITNEH-MERINNEN UND ARBEITNEHMER AUF DER GANZEN wELT.


ZUKUNFT ABONNEMENT Kupon ausschneiden & einsenden an: VA Verlag GmbHKaiser-Ebersdorferstraße 305/31110 Wien Ich bestelle   ein ZUKUNFT-Schnupperabo (3 Hefte) um 12,– Euro    ein ZUKUNFT-Jahresabo (11 Hefte) um 49,– Euro Name: Straße: Ort/PLZ: Tel.: E-Mail:     Unterschrift: 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 2/20 13 Was vom Tage übrig bliebBarbara Blaha Während des Wendens  ist die Partei verletzlich Caspar Einem Aus Fehlern lernen Ludwig Dvořak Wege aus der EurokriseWolfgang Edelmüller Der Dritte WegErnst Gehmacher 2/2013 Kunstkammer Wien KunsThisTorischEs musEum  WiEn 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 3/20 13 Die EU-Konzessionsrichtlinie  Alice Wagner Für eine offensive Wohnpolitik  Wolfgang Moitzi Leistbares Wohnen –  eine Frage sozialer Fairness  Michael Ludwig Eurokrise und kein Ende –  Spanien im freien Fall Günther Grunert 3/2013 BRIAN  ADAMS –  EXPOSED NRW-FoRuM DüsseLDoRF 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 4/20 13 Economic Governance – auf dem Weg zu einer »Troika für alle«Daniel Lehner Europas Entwicklung Oskar Negt Der Antisemit Karl Renner? Ludwig Dvořák Wohin führt der neue Papst  seine Kirche?Adalbert Krims 4/2013 The Real  eighTies  Österreichisches Filmmuseum 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 5/20 13 Das vermeintlich Unmögliche wagenSonja Ablinger Europas Linke muss jetzt Nein sagen! Hilde Mattheis Wir haben nichts zu fürchten als die Furcht selbst Robert Misik Julius TandlerHerwig Czech 5/2013 Alle MeSCHUGGe? JüdischEs MusEuM WiEn  4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 6/20 13 Stadtentwicklung für die Wienerinnen und Wiener im 21. JahrhundertRudi Schicker Stadt fair teilen Eva Kail Mobilität mit Zukunft bringt mehr Lebensqualität in die Städte Christian Fölzer Mali: Militarisierung der SahelzoneStefan Brocza 6/2013 WIEN  AUSSEN EIN FOTOPROJEKT  VON DIDI SATTMANN  Wien MuseuM  ALAÏA. AZZEDINE ALAÏA IM 21. JAHRHUNDERT NRW-FORUM DÜSSELDORF 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 7  &  8/20 13 SPÖ-Mission: Selbstbewusst vorwärts! Claudia Schmied  Stagnation der Völkischen? Andreas Peham Ein Volk von Eigentümern? Artur Streimelweger Vom KlubzwangLudwig Dvořák 7&8/2013 ALAÏA .  A ZZED INE  A LA ÏA  IM  2 1.  J A HRHUND ER T N R W -F OR U M  DÜ SSE LDOR F ALAÏA. AZZEDINE ALAÏA IM 21. JAHRHUNDERT NRW-FORUM DÜSSELDORF 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 9/20 13 Niedriglohnbeschäftigung  in Deutschland  Claudia Weinkopf & Thomas Kalina Die Troika und der Flächentarifvertrag  Thorsten Schulten Kinderkarenz und Wiedereinstieg  Gerlinde Hauer Wendezeit des Kapitalismus? Armin Pullerk 9/2013  WORLD PRESS  PHOTO 13  WESTLICHT.  4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 1 0/20 13 Die SPÖ neu gründen!   Albrecht K. Konečný Ein modernes Strafrecht  Hannes Jarolim Rot-Blau ante portas?  Ludwig Dvořák  Die EU gemeinsam verteidigen Caspar Einem 10/2013 KOKOSCHKA  LeopoLd MuseuM 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 11/20 13 Welcher Fortschritt?  Barbara Blaha Vom Elend der PolitikverdrossenheitKarl Czasny Tunesien: Frauenrechte müssen verteidigt werdenMuna Duzdar  Mehr als eine »Neid-Debatte«Wolfgang Moitzi 11/2013 DIE 70ER JAHRE.  MUSA 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 12  / 2 013 Die extreme Rechte vor der EU-Wahl   Andreas Peham Marokko nach dem arabischen FrühlingMuna Duzdar Machtwechsel in NorwegenJens Gmeiner Zwischen NSA und medialem WiderstandAnton Tantner 12/2013 Edith tudor-hart WiEn musEum 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 1/20 14 Kritische Bestandsaufnahme Wolfgang Katzian Sozialdemokratische Handschrift?Sonja Ablinger Das sozialdemokratische Jahrhundert       hat noch gar nicht begonnenHannes Swoboda  Ägypten: Inmitten der KonterrevolutionTyma Kraitt 1/2014 DEBORAH SENGL DIE LETZTEN TAGE   DER MENSCHHEIT ESSL MUSEUM Der Wettbewerbspakt -  eine Bestandsaufnahme Alexandra Strickner Der Februar 1934 im Spiegel der Akten der BundespolizeidirektionFlorian Wenninger »Wirklich tüchtige und würdige Genossinnen«Gabriella Hauch  Mexiko: Dank Freihandel ein gescheiterter Staat Boris Ginner und Alexander Strobl 2/2014 Unsere  stadt! jüdisches MUseUM wien 4,5 0  eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 2/20 14 Soziale Demokratie  als ständige Aufgabe   Emmerich Tálos Ukraine – zwischen  Ost und West?   Christina Plank Gründe, die völkerrechtliche  Kirche im politischen Dorf zu lassen   Stefan Brocza Irrwege einer historischen »Schuldsuche« zum 12. Februar 1934   Gerhard Botz 4/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr .4/20 14 BÖSE     DINGE      HofmobiliEndEpot Besteuerung  der Ungleichheit   Martin Schürz  Europa am Scheideweg   Eugen Freund TTIP – eine Gefahr für  Demokratie und Sozialstaat    Neva Löw Budget 2014/2015: Kleineres Übel oder Haushalt der vergebenen Chancen?   Markus Marterbauer 5/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr .5/20 14 EYES  WIDE  OPEN BANK AUSTRIA  KUNSTFORUM WIEN Die Identitären. Jugendbewegung der Neuen Rechten  Offensive gegen Rechts Schumpeter’sche Innovationen, Struktur­wandel und ungleiche Einkommensverteilung  Adolf Stepan Abwanderungsdrohungen als  Mittel im KlassenkampfBettina Csoka, Franz Gall und Michaela Schmidt Mehr Einbürgerungen für eine starke DemokratieLena Karasz 6/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr .6/20 14 VORBILDER 150 JAHRE MAK Das Ende einer Ära  Thomas Nowotny Antimuslimischer Rassismus als soziales Verhältnis  Fanny Müller-Uri Über Sozialdemokratie, Europa und Utopien  Michael Amon Handel ist der Lebenssaft  einer freien Gesellschaft  Stefan Brocza 7– 8/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr .7  –  8/20 14 GAR RY  W INOG RA N D W O MEN  A RE  B EA UTI FU L  WES TL IC HT   Die geteilte Hegemonie in der EU-Wirtschaftspolitik Wolfgang Edelmüller Otto Neurath – ein skeptischer Utopist Armin Puller Jenseits von »mitgemeint«  Stefanie Vasold Die Rolle der Geldpolitik in der Krise Irene Mozart 9/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 9/20 14 Pikettys »Kapital im 21. Jahrhundert« Philipp Metzger Die Verselbständigung neoliberaler Wirtschaftspolitik in der EUM. Marterbauer und L. Oberndorfer Sozialdemokratische Orientier­ungs­ und ExistenzfragenLudwig Dvořák et al. Rekommunalisierung wird zum Trend  B. Hauenschild und S. Halmer 10/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 1 0/20 14 WIEN IM ERSTEN  WELTKRIEG WIENMUSEUM Wir müssen uns dem Urteil der Geschichte stellenHeinz Fischer Eine ZivilisationshautChristine Nöstlinger Direkt die Demokratie erneuern – oder eher damit abschaffen?Daniel Lehner Ein Grenzgänger des 20. Jahrhunderts: Leo KoflerChristoph Jünke 5/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 5/20 15 12. WESTLICHT FOTO-AUKTION Frauenrechte verteidigen – 365 Tage im Jahr Julia Herr  Bewegung in die ArbeitszeitgestaltungDavid Mum Die außenpolitischen Beziehungen Kubas im WandelGernot Stimmer Flüchtlingsfragen Caspar Einem 1/2016 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 1/20 16 DAS PARADIES  DER UNTERGANG HARTMUT SKERBISCH - MEDIENARBEITEN UNIVERSALMUSEUM JOANNEUM GRAZ Für Identität, gegen BeliebigkeitCaspar Einem Wien Freiheitlich – ein Szenario der VeränderungRudi Schicker Keine Zeit verlieren, um die Sozialdemokratie zu rettenJulia Herr Neutralität systematisch verletztThomas Riegler 6/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 6/20 15 PIPILOTTI  RIST KUNSTHALLE KREMS Waldheim – wie es wirklich warInterview mit Georg Tidl Tunesien – Demokratie braucht sozialen FortschrittMuna Duzdar 100 Jahre Josef HindelsErwin Lanc Mauern an den Grenzen führen zu Mauern in den KöpfenNurten Yılmaz 2/2016 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 2/20 16 AUGEN AUF!  100 JAHRE LEICA FOTOGRAFIEWestLicht / Ostlicht Höchste Zeit für Schritte nach vornCaspar Einem Das Trennbankensystem der USA – eine Alternative?Josef Falkinger Busbahnhof, Flughafen und Fußball-WMBernhard Leubolt Ist Deutschland das bessere Österreich?Markus Marterbauer 7&8/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 7&8/20 15 HyperAmerika Kunsthaus Graz Bildung fortschrittlich denkenGabriele Heinisch-Hosek Geldregen aus dem HelikopterElisabeth Blaha Das Europa der ZukunftWolfgang Edelmüller Mindestsicherung – nur für InländerInnen?Marko Miloradović 3/2016 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 3/20 16 LE NT OS   D IE  S AM M LU N G Tanzt den Corbyn!Ludwig Dvořák Europe no more?Wolfgang Edelmüller Britische Gewerkschaften: Von Pro-EU zu Pro-Lexit?Sandra Breiteneder Recht – Familie – EheHelga Hieden-Sommer 9/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr .  9/20 15 WORLD PRESS  PHOTO 15   GALERIE WESTLICHT Mit den Tabus der Linken brechenSlavoj Žižek »Dem Terror nicht beugen« – das Nittel-AttentatThomas Riegler Aushöhlung von Rechten für FlüchtlingeLeila Hadj-Abdou Neoliberaler Feldzug auf Gewerk-schaftsrechte im Schatten der Krise W. Greif & S. Breiteneder 4/2016 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 4/20 16  Alles neu! 100 Jahre    Frankfurter   Schule  Museum für   angewandte   Kunst Die Quote der Glaubwürdigkeit Sonja Ablinger  Debatten um Straßennamen sind auch ein demokratiepolitischer Lackmustest Interview mit Oliver Rathkolb Steueroasen: Wo Vermögen parken Stefan Brocza und Andreas Brocza Zukunft Rauchverbot  Sabine Oberhauser 11/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 11/20 14 JEFF WALL  KUNSTHAUS BREGENZ Ein Blick in  den Spiegel Stephan Schimanowa  Vom System zur Alternative Max Lercher Zu Arbeitsbegriff und Einkommensunterschieden Max Lercher Das Erste Österreichische Universalmietrechtsgesetz Ruth Becher 12/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 12/20 14 SchauLuSt  Die eRotiSche  FotoGRaFie VoN  aLFoNS WaLDe Fotomuseum   Westlicht Neustart für Europa? Ulrich Brand  Was will SYRIZA?Euclid Tsakalotos Zum Kern des Problems Ludwig Dvořák Die Entzauberung religiös-politischer Parteien in der arabischen WeltMuna Duzdar 1/2015 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 1/20 15 PEGIDA, AfD und die politische Kultur in Sachsen Michael Lühmann  Österreichs kalte KriegerThomas Riegler Wie die europäische Sozial demokratie Griechenland und dabei sich selber helfen kannMarkus Marterbauer Keine Angst vor der eigenen CourageMuna Duzdar 2/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 2/20 15 ROMANE THANA. ORTE DER ROMA UND SINTI WIEN MUSEUM Wird das Bildungsversprechen eingelöst? Vanessa Kinz, Nikolaus Ecker und Senad Lacevic Oberösterreich ist andersJosef Weidenholzer Anmerkungen nach der Wien-WahlCaspar Einem »Meinen Körper in den Kampf werfen«Thomas Riegler 10/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 1 0/20 15 STEIERMARK IM BLICK   UNIVERSALMUSEUM JOANNEUM Steuerreform: Weichen in Richtung künftige KürzungspolitikElisabeth Klatzer Von Wählerparteien zu Kümmerer- und Bewegungsparteien?Jens Gmeiner und Matthias Micus Wie Griechenland aus der Staatsschulden-falle befreit werden kannWolfgang Edelmüller 3/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 3/20 15 DIE ACHZIGER JAHRE MUSA Solidarität statt Ausgrenzung Laura Schoch EU in Auflösung?Albrecht von Lucke Argentinische Vergangen-heitspolitik am ScheidewegGeorg Krizmanics Zum Erfolg der Programm- länder des EuroraumsElisabeth Blaha 11/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 11/20 15 LIEBE IN ZEITEN  DER REVOLUTION BANK AUSTRIA KUNSTFORUM WIEN Was will Varoufakis eigentlich?Philipp Metzger Wahlen in GroßbritannienArmin Puller Die Vereinbarkeit von Islam und ModerneMuna Duzdar Budgetziel erreicht, auf die Bekämpfung der Rekord arbeitslosigkeit vergessenMarkus Marterbauer 4/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 4/20 15 MYTHOS GALIZIEN WIEN MUSEUM Hoffnung ist der Treibstoff des Fortschritts Barbara Blaha Hillary – what else?Grössing & Brocza Politische Kommunikation im Wiener JugendwahlkampfBernhard Heinzlmaier Unternehmerstimmung: Nur dunkel-trüb oder schon blau-schwarz?Markus Marterbauer 12/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 12/20 15 Margot Pilz Meilensteine  MUSA ZUKUNFT ABONNEMENT Kupon ausschneiden & einsenden an: VA Verlag GmbHKaiser-Ebersdorferstraße 305/31110 Wien Ich bestelle   ein ZUKUNFT-Schnupperabo (3 Hefte) um 12,– Euro    ein ZUKUNFT-Jahresabo (11 Hefte) um 49,– Euro Name: Straße: Ort/PLZ: Tel.: E-Mail:     Unterschrift: 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 2/20 13 Was vom Tage übrig bliebBarbara Blaha Während des Wendens  ist die Partei verletzlich Caspar Einem Aus Fehlern lernen Ludwig Dvořak Wege aus der EurokriseWolfgang Edelmüller Der Dritte WegErnst Gehmacher 2/2013 Kunstkammer Wien KunsThisTorischEs musEum  WiEn 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 3/20 13 Die EU-Konzessionsrichtlinie  Alice Wagner Für eine offensive Wohnpolitik  Wolfgang Moitzi Leistbares Wohnen –  eine Frage sozialer Fairness  Michael Ludwig Eurokrise und kein Ende –  Spanien im freien Fall Günther Grunert 3/2013 BRIAN  ADAMS –  EXPOSED NRW-FoRuM DüsseLDoRF 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 4/20 13 Economic Governance – auf dem Weg zu einer »Troika für alle«Daniel Lehner Europas Entwicklung Oskar Negt Der Antisemit Karl Renner? Ludwig Dvořák Wohin führt der neue Papst  seine Kirche?Adalbert Krims 4/2013 The Real  eighTies  Österreichisches Filmmuseum 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 5/20 13 Das vermeintlich Unmögliche wagenSonja Ablinger Europas Linke muss jetzt Nein sagen! Hilde Mattheis Wir haben nichts zu fürchten als die Furcht selbst Robert Misik Julius TandlerHerwig Czech 5/2013 Alle MeSCHUGGe? JüdischEs MusEuM WiEn  4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 6/20 13 Stadtentwicklung für die Wienerinnen und Wiener im 21. JahrhundertRudi Schicker Stadt fair teilen Eva Kail Mobilität mit Zukunft bringt mehr Lebensqualität in die Städte Christian Fölzer Mali: Militarisierung der SahelzoneStefan Brocza 6/2013 WIEN  AUSSEN EIN FOTOPROJEKT  VON DIDI SATTMANN  Wien MuseuM  ALAÏA. AZZEDINE ALAÏA IM 21. JAHRHUNDERT NRW-FORUM DÜSSELDORF 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 7  &  8/20 13 SPÖ-Mission: Selbstbewusst vorwärts! Claudia Schmied  Stagnation der Völkischen? Andreas Peham Ein Volk von Eigentümern? Artur Streimelweger Vom KlubzwangLudwig Dvořák 7&8/2013 ALAÏA .  A ZZED INE  A LA ÏA  IM  2 1.  J A HRHUND ER T N R W -F OR U M  DÜ SSE LDOR F ALAÏA. AZZEDINE ALAÏA IM 21. JAHRHUNDERT NRW-FORUM DÜSSELDORF 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 9/20 13 Niedriglohnbeschäftigung  in Deutschland  Claudia Weinkopf & Thomas Kalina Die Troika und der Flächentarifvertrag  Thorsten Schulten Kinderkarenz und Wiedereinstieg  Gerlinde Hauer Wendezeit des Kapitalismus? Armin Pullerk 9/2013  WORLD PRESS  PHOTO 13  WESTLICHT.  4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 1 0/20 13 Die SPÖ neu gründen!   Albrecht K. Konečný Ein modernes Strafrecht  Hannes Jarolim Rot-Blau ante portas?  Ludwig Dvořák  Die EU gemeinsam verteidigen Caspar Einem 10/2013 KOKOSCHKA  LeopoLd MuseuM 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 11/20 13 Welcher Fortschritt?  Barbara Blaha Vom Elend der PolitikverdrossenheitKarl Czasny Tunesien: Frauenrechte müssen verteidigt werdenMuna Duzdar  Mehr als eine »Neid-Debatte«Wolfgang Moitzi 11/2013 DIE 70ER JAHRE.  MUSA 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 12  / 2 013 Die extreme Rechte vor der EU-Wahl   Andreas Peham Marokko nach dem arabischen FrühlingMuna Duzdar Machtwechsel in NorwegenJens Gmeiner Zwischen NSA und medialem WiderstandAnton Tantner 12/2013 Edith tudor-hart WiEn musEum 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 1/20 14 Kritische Bestandsaufnahme Wolfgang Katzian Sozialdemokratische Handschrift?Sonja Ablinger Das sozialdemokratische Jahrhundert       hat noch gar nicht begonnenHannes Swoboda  Ägypten: Inmitten der KonterrevolutionTyma Kraitt 1/2014 DEBORAH SENGL DIE LETZTEN TAGE   DER MENSCHHEIT ESSL MUSEUM Der Wettbewerbspakt -  eine Bestandsaufnahme Alexandra Strickner Der Februar 1934 im Spiegel der Akten der BundespolizeidirektionFlorian Wenninger »Wirklich tüchtige und würdige Genossinnen«Gabriella Hauch  Mexiko: Dank Freihandel ein gescheiterter Staat Boris Ginner und Alexander Strobl 2/2014 Unsere  stadt! jüdisches MUseUM wien 4,5 0  eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 2/20 14 Soziale Demokratie  als ständige Aufgabe   Emmerich Tálos Ukraine – zwischen  Ost und West?   Christina Plank Gründe, die völkerrechtliche  Kirche im politischen Dorf zu lassen   Stefan Brocza Irrwege einer historischen »Schuldsuche« zum 12. Februar 1934   Gerhard Botz 4/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr .4/20 14 BÖSE     DINGE      HofmobiliEndEpot Besteuerung  der Ungleichheit   Martin Schürz  Europa am Scheideweg   Eugen Freund TTIP – eine Gefahr für  Demokratie und Sozialstaat    Neva Löw Budget 2014/2015: Kleineres Übel oder Haushalt der vergebenen Chancen?   Markus Marterbauer 5/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr .5/20 14 EYES  WIDE  OPEN BANK AUSTRIA  KUNSTFORUM WIEN Die Identitären. Jugendbewegung der Neuen Rechten  Offensive gegen Rechts Schumpeter’sche Innovationen, Struktur­wandel und ungleiche Einkommensverteilung  Adolf Stepan Abwanderungsdrohungen als  Mittel im KlassenkampfBettina Csoka, Franz Gall und Michaela Schmidt Mehr Einbürgerungen für eine starke DemokratieLena Karasz 6/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr .6/20 14 VORBILDER 150 JAHRE MAK Das Ende einer Ära  Thomas Nowotny Antimuslimischer Rassismus als soziales Verhältnis  Fanny Müller-Uri Über Sozialdemokratie, Europa und Utopien  Michael Amon Handel ist der Lebenssaft  einer freien Gesellschaft  Stefan Brocza 7– 8/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr .7  –  8/20 14 GAR RY  W INOG RA N D W O MEN  A RE  B EA UTI FU L  WES TL IC HT   Die geteilte Hegemonie in der EU-Wirtschaftspolitik Wolfgang Edelmüller Otto Neurath – ein skeptischer Utopist Armin Puller Jenseits von »mitgemeint«  Stefanie Vasold Die Rolle der Geldpolitik in der Krise Irene Mozart 9/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 9/20 14 Pikettys »Kapital im 21. Jahrhundert« Philipp Metzger Die Verselbständigung neoliberaler Wirtschaftspolitik in der EUM. Marterbauer und L. Oberndorfer Sozialdemokratische Orientier­ungs­ und ExistenzfragenLudwig Dvořák et al. Rekommunalisierung wird zum Trend  B. Hauenschild und S. Halmer 10/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 1 0/20 14 WIEN IM ERSTEN  WELTKRIEG WIENMUSEUM Wir müssen uns dem Urteil der Geschichte stellenHeinz Fischer Eine ZivilisationshautChristine Nöstlinger Direkt die Demokratie erneuern – oder eher damit abschaffen?Daniel Lehner Ein Grenzgänger des 20. Jahrhunderts: Leo KoflerChristoph Jünke 5/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 5/20 15 12. WESTLICHT FOTO-AUKTION Frauenrechte verteidigen – 365 Tage im Jahr Julia Herr  Bewegung in die ArbeitszeitgestaltungDavid Mum Die außenpolitischen Beziehungen Kubas im WandelGernot Stimmer Flüchtlingsfragen Caspar Einem 1/2016 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 1/20 16 DAS PARADIES  DER UNTERGANG HARTMUT SKERBISCH - MEDIENARBEITEN UNIVERSALMUSEUM JOANNEUM GRAZ Für Identität, gegen BeliebigkeitCaspar Einem Wien Freiheitlich – ein Szenario der VeränderungRudi Schicker Keine Zeit verlieren, um die Sozialdemokratie zu rettenJulia Herr Neutralität systematisch verletztThomas Riegler 6/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 6/20 15 PIPILOTTI  RIST KUNSTHALLE KREMS Waldheim – wie es wirklich warInterview mit Georg Tidl Tunesien – Demokratie braucht sozialen FortschrittMuna Duzdar 100 Jahre Josef HindelsErwin Lanc Mauern an den Grenzen führen zu Mauern in den KöpfenNurten Yılmaz 2/2016 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 2/20 16 AUGEN AUF!  100 JAHRE LEICA FOTOGRAFIEWestLicht / Ostlicht Höchste Zeit für Schritte nach vornCaspar Einem Das Trennbankensystem der USA – eine Alternative?Josef Falkinger Busbahnhof, Flughafen und Fußball-WMBernhard Leubolt Ist Deutschland das bessere Österreich?Markus Marterbauer 7&8/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 7&8/20 15 HyperAmerika Kunsthaus Graz Bildung fortschrittlich denkenGabriele Heinisch-Hosek Geldregen aus dem HelikopterElisabeth Blaha Das Europa der ZukunftWolfgang Edelmüller Mindestsicherung – nur für InländerInnen?Marko Miloradović 3/2016 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 3/20 16 LE NT OS   D IE  S AM M LU N G Tanzt den Corbyn!Ludwig Dvořák Europe no more?Wolfgang Edelmüller Britische Gewerkschaften: Von Pro-EU zu Pro-Lexit?Sandra Breiteneder Recht – Familie – EheHelga Hieden-Sommer 9/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr .  9/20 15 WORLD PRESS  PHOTO 15   GALERIE WESTLICHT Mit den Tabus der Linken brechenSlavoj Žižek »Dem Terror nicht beugen« – das Nittel-AttentatThomas Riegler Aushöhlung von Rechten für FlüchtlingeLeila Hadj-Abdou Neoliberaler Feldzug auf Gewerk-schaftsrechte im Schatten der Krise W. Greif & S. Breiteneder 4/2016 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 4/20 16  Alles neu! 100 Jahre    Frankfurter   Schule  Museum für   angewandte   Kunst Die Quote der Glaubwürdigkeit Sonja Ablinger  Debatten um Straßennamen sind auch ein demokratiepolitischer Lackmustest Interview mit Oliver Rathkolb Steueroasen: Wo Vermögen parken Stefan Brocza und Andreas Brocza Zukunft Rauchverbot  Sabine Oberhauser 11/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 11/20 14 JEFF WALL  KUNSTHAUS BREGENZ Ein Blick in  den Spiegel Stephan Schimanowa  Vom System zur Alternative Max Lercher Zu Arbeitsbegriff und Einkommensunterschieden Max Lercher Das Erste Österreichische Universalmietrechtsgesetz Ruth Becher 12/2014 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 12/20 14 SchauLuSt  Die eRotiSche  FotoGRaFie VoN  aLFoNS WaLDe Fotomuseum   Westlicht Neustart für Europa? Ulrich Brand  Was will SYRIZA?Euclid Tsakalotos Zum Kern des Problems Ludwig Dvořák Die Entzauberung religiös-politischer Parteien in der arabischen WeltMuna Duzdar 1/2015 4,5 0  Eur o  P.b.b. G Z 02Z03333 8 M, V erlagspost amt 1 01 0 W ien, Nr . 1/20 15 PEGIDA, AfD und die politische Kultur in Sachsen Michael Lühmann  Österreichs kalte KriegerThomas Riegler Wie die europäische Sozial demokratie Griechenland und dabei sich selber helfen kannMarkus Marterbauer Keine Angst vor der eigenen CourageMuna Duzdar 2/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 2/20 15 ROMANE THANA. ORTE DER ROMA UND SINTI WIEN MUSEUM Wird das Bildungsversprechen eingelöst? Vanessa Kinz, Nikolaus Ecker und Senad Lacevic Oberösterreich ist andersJosef Weidenholzer Anmerkungen nach der Wien-WahlCaspar Einem »Meinen Körper in den Kampf werfen«Thomas Riegler 10/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 1 0/20 15 STEIERMARK IM BLICK   UNIVERSALMUSEUM JOANNEUM Steuerreform: Weichen in Richtung künftige KürzungspolitikElisabeth Klatzer Von Wählerparteien zu Kümmerer- und Bewegungsparteien?Jens Gmeiner und Matthias Micus Wie Griechenland aus der Staatsschulden-falle befreit werden kannWolfgang Edelmüller 3/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 3/20 15 DIE ACHZIGER JAHRE MUSA Solidarität statt Ausgrenzung Laura Schoch EU in Auflösung?Albrecht von Lucke Argentinische Vergangen-heitspolitik am ScheidewegGeorg Krizmanics Zum Erfolg der Programm- länder des EuroraumsElisabeth Blaha 11/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 11/20 15 LIEBE IN ZEITEN  DER REVOLUTION BANK AUSTRIA KUNSTFORUM WIEN Was will Varoufakis eigentlich?Philipp Metzger Wahlen in GroßbritannienArmin Puller Die Vereinbarkeit von Islam und ModerneMuna Duzdar Budgetziel erreicht, auf die Bekämpfung der Rekord arbeitslosigkeit vergessenMarkus Marterbauer 4/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 4/20 15 MYTHOS GALIZIEN WIEN MUSEUM Hoffnung ist der Treibstoff des Fortschritts Barbara Blaha Hillary – what else?Grössing & Brocza Politische Kommunikation im Wiener JugendwahlkampfBernhard Heinzlmaier Unternehmerstimmung: Nur dunkel-trüb oder schon blau-schwarz?Markus Marterbauer 12/2015 4,5 0  Eur o P .b.b. Abs.: Gesellsc haft zur Herausgabe der Zeitsc hrift Z U K U N FT , Kaiser ebersdorferstrasse 3 05/3, 1 11 0 W ien, 1 4Z0 40222 M , Nr . 12/20 15 Margot Pilz Meilensteine  MUSA